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Meinung: Bloß nicht!

Die Bedenkenträger bei der SPD nehmen die Arbeit auf – und warnen vor Reformen

Von Ursula Weidenfeld

Die wichtigsten Entscheidungen fallen am Anfang: im ersten Jahr, in den ersten Wochen – in diesen Tagen. Die Regierung legt sich fest, wie viel Veränderung sie will. Je früher und entschiedener sie das tut – inhaltlich und personell –, desto größer wird ihre Durchsetzungsfähigkeit sein. Jetzt stellt die Regierung die Weichen zwischen einer Politik des „Weiter-so“ und der Bereitschaft zu grundlegenden Reformen.

Was in diesen Tagen bekannt wird, lässt noch Raum für Hoffnungen – doch die Aussichten, dass die Bundesregierung tatsächlich handeln wird, werden geringer. Bloß nicht zu viel machen, tönt es schon jetzt aus dem Arbeiterflügel der SPD mit ängstlichem Blick auf die Basis. Keine Arbeitnehmerrechte abschneiden, morsen die Gewerkschaften ins Kanzleramt und wollen drohende Eingriffe in das Tarifvertragsrecht beizeiten abwehren. Wer die Mehrheit im Bundesrat erobern will, darf vor den Landtagswahlen in Hessen und in Niedersachsen im Februar nichts Einschneidendes unternehmen, flehen die Sozialdemokraten aus Wiesbaden und Hannover in Richtung Bundes-SPD – um zu verhindern, dass die Popularität der Regierungsparteien im Bund in den Ländern vorzeitig schwindet.

Bei den Regierungssozialdemokraten scheint diese Botschaft tatsächlich anzukommen. Der Bürger, so sagen sie fröhlich, wolle ja keine andere Politik als die, die er bisher hatte. Schließlich habe er ja die Regierung wieder gewählt, die auch die vergangenen vier Jahre bestimmt hat. Die offenbar geplante personelle Kontinuität in den Ministerämtern für Arbeit und Wirtschaft soll signalisieren, dass es keine harten Brüche geben wird. Bis zur Mitte der Legislatur, so wird kolportiert, könne in den Ministerien erst mal alles so bleiben wie es ist .

Wenn es nur um den inneren Frieden der Sozialdemokraten ginge, wäre dies der logische Weg. Doch es geht um mehr. In den kommenden Wochen und Monaten geben die Wirtschaftsdaten den Takt vor: mehr als drei Prozent Neuverschuldung in diesem Herbst, weniger Wachstum und Dynamik in der wirtschaftlichen Entwicklung, massiv steigende Arbeitslosenzahlen und ebenso scharf zurückgehende Steuereinnahmen. Die Regierung hat nicht die Wahl, ob sie reformiert. Sondern nur, wie sie es tut. Sie könnte natürlich die Mehrwertsteuer erhöhen, die Vermögensteuer wieder einführen und die Erben schärfer besteuern. So wollen es viele Arbeitnehmervertreter. Nur: Arbeitsmarktreformen sind das nicht, und die Bedingungen für mehr Jobs schafft man so auch nicht. Die Glaubwürdigkeit der Regierung würde zu Beginn aufgebraucht. Die Aussichten, mit einem solchen Paket in Hessen und Niedersachsen die Wahl zu gewinnen, sind nicht rosig.

Rot-Grün könnte aber auch andere Signale setzen und mit den Reformen des Arbeitsmarkts, die schon in der Schublade liegen, beginnen. Sie kosten nicht viel und würden schnelle Resultate bringen – zumindest das, dass es jetzt nach vorne geht. Im Augenblick sieht es so aus, als wollten die Sozialdemokraten am Bisherigen festhalten. Bleiben die Grünen. Vielleicht werden sie zum Reformmotor – auch in der Sozialpolitik.

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