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BND-Umzug: Sei Berlin: Sei BND

Der Umzug des Bundesnachrichtendienstes vom bayerischen Pullach nach Berlin hat keinen Sinn, außer natürlich die kurze Autofahrt des BND-Chefs zum Kanzleramt. Er bringt Berlin nicht voran, im Gegenteil.

Es gibt im Journalismus eine eiserne Regel: Wenn ein modisches Magazin einen Trend entdeckt, ist er mit großer Sicherheit schon wieder vorbei. Als also „Monocle“ – ein englischsprachiges Hochglanzmagazin für Menschen, die ihr Leben in der trockenen Luft von Flughafen- Lounges verbringen – „NoTo“ zur neuen In-Gegend Berlins erklärte, war ich sofort misstrauisch.

NoTo ist, natürlich, die Kurzform für „North of Torstraße“ und bildet das Gegenstück zu SoTo, jenem überteuerten Gebiet rund um die Linienstraße. Offenbar hat NoTo nun SoTo abgelöst. Warum? Nach dem Urteil der Stilgurus von „Monocle“ ist es „authentischer“. Alten Industriegebäuden wird durch kreativen Geist neues Leben eingehaucht – so zog in das alte AEG-Gebäude, die Edison- Höfe, eine Internetfirma. Die ehemalige Josty-Brauerei in der Bergstraße beherbergt das noble Restaurant „Maxwell“ und in die Gartenstraße kommen die Galerien. Ein Schnitzel-Mekka hat sich in der Schröderstraße etabliert. Die Gegend ist billiger als SoTo. Ein bisschen Grünanlage, ein bisschen urbaner Verfall, fertig ist die perfekte 1990er Mischung.

Ich möchte den „Monocle“- Leuten den richtigen Weg weisen, bevor sich ihrem vermeintlichen Geheimtipp folgend eine Herde in engen Jeans und Ugg-Stiefeln aufmacht, bevor NoTo von der Latte-Welle überspült wird wie der Kollwitzplatz: NoTo mag die Ateliers bekommen und die Tantra-Yoga- Studios – es ist aber auch die zukünftige Heimat des BND. Und nichts bringt eine coole Gegend schneller um als 4000 Spione. Mehr Nato als NoTo.

Die sollten schon in diesem Jahr einziehen, aber wie es so ist bei öffentlichen Bauten – es ist die größte Bundesbaustelle seit der Wiedervereinigung –, könnte es bis Ende 2013 dauern. Man kann sich aber nicht früh genug vor dieser Stadt der Spione fürchten. Die Anlage ist riesig, zehn Hektar, ein gigantischer Komplex voller Lego- Gebäude. Die Kosten betragen bis zu zwei Milliarden Euro und die Pläne ändern sich immer wieder. Vor allem die Maurerarbeiten, werden von Wachleuten kontrolliert – zwei Bauleute, ein Wachmann –, damit niemand eine Wanze einbaut. Laut den Architekten wird es eine der größten und modernsten Geheimdienstzentralen Europas. Der Bau des britischen Geheimdienstes an der Themse hat 800 Millionen Euro gekostet. Offenbar will der BND etwas Größeres und Besseres. Hoffentlich kriegen sie dann auch größere Geheimnisse raus.

Aber warum dieser Gigantismus? Sollten Geheimdienste nicht diskret sein? Natürlich werden die 4000 zusätzlichen Beamten samt Familien die Umsätze von Rewe und Netto in die Höhe treiben. Aber sie sind nicht gerade das, was Ökonomen Multiplikatoren nennen: Sie schaffen keine weiteren Arbeitsplätze. Läuft man auf der Chausseestraße entlang, stößt man auf lauter blinde Ladenfenster. Spione haben es nicht so gern, wenn sich gegenüber ihrem Haupteingang die Berliner und die Touristen mit ihren Kameras in den Straßencafés drängeln. Das „Viva Mexiko“ ist tot, der letzte Burrito ist dort längst serviert.

In Wahrheit ist NoTo ein Ödland und wird es trotz aller Anstrengungen von „Monocle“ auch bleiben. Denn: Nicht jeder, der in der Chausseestraße mit Sonnenbrille und Schlapphut herumläuft, ist cool.

Die meisten Agenten wollten Pullach gar nicht gegen NoTo eintauschen, und mir leuchtet das ein. Pullach mag durch Gehlen und den Kalten Krieg nicht gerade den besten Ruf haben, aber es ist ein durchaus angenehmer Vorort mit guten Schulen und guter Anbindung an die Münchner Innenstadt. Die nächstgelegene U-Bahn- Station in Berlin, Schwarzkopfstraße, ist dagegen seit Jahren ein Drogentreff.

Der Umzug hat keinen Sinn, außer natürlich die kurze Autofahrt des BND-Chefs zum Kanzleramt. Er bringt Berlin nicht voran, im Gegenteil: So bietet die Stadt bald ein weiteres potenzielles Terror- Ziel. Er macht die Stadt nicht glamouröser, passt in kein Marketingkonzept („Sei Berlin: Sei BND“) und bringt keine weiteren Arbeitsplätze. Und als Nachrichtenzentrale funktioniert es auch nicht besser. Geheimdienste operieren erfolgreicher, wenn sie dezentralisiert sind, wenn ihnen die Politiker nicht über die Schulter schauen.

Es ist zu spät, diesen irrsinnigen Umzug zu verhindern – die Gebäude stehen –, ich wundere mich nur, dass Deutschland zwei Milliarden für dieses Pharaonen-Projekt übrig hat. Der Chef des BND, Ernst Uhrlau, der das Glück hat, vor dem Einzug in den Ruhestand gehen zu dürfen, erklärte beim Richtfest im vergangenen Jahr: „Wir werden zwar kein ganz normaler, aber doch ein umgänglicher Nachbar sein.“ Warum beruhigt einen diese Aussage so wenig?

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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