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Meinung: Brachen der Geschichte

Berlin ist auf Vergangenheit gebaut, auf einem Untergrund auch aus Vergessen und Verdrängung. Das hat das gestrige Urteil zu Gunsten der WertheimErben deutlich gemacht.

Berlin ist auf Vergangenheit gebaut, auf einem Untergrund auch aus Vergessen und Verdrängung. Das hat das gestrige Urteil zu Gunsten der WertheimErben deutlich gemacht. Am Leipziger und am Potsdamer Platz – in unmittelbarer Nähe des Reichstages – entstand nach dem Mauerfall die neue, alte Hauptstadt auch auf Grundstücken, deren Besitzer von den Nazis ermordet oder ins Exil getrieben worden sind. Die bedrückende Vergangenheit ist in Berlin immer noch Gegenwart. Kurz vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes hat der Prozess an das damalige Unrecht erinnert. Am Ende eines furchtbaren Jahrhunderts, nach dem Ende von zwei deutschen Diktaturen, findet sich auf dem krummen Weg der Geschichte endlich Gerechtigkeit für die Opfer. Möglich geworden ist das nur durch den Zusammenbruch der DDR und die deutsche Einheit. Was vor allem von der DDR enteigneten und schikanierten Immobilienbesitzern zum Recht verhelfen sollte, ermöglichte auch eine Rückübertragung an die Erben der zwangsarisierten Unternehmen, an die Nachkommen der ermordeten Hausbesitzer. Der Wertheim-Prozess markiert dies in doppelter Weise. Nach der Entschädigung für die Zwangsarbeiter steht mit der Wertheim-Klage auch die Rückgabe von Immobilien an Nazi-Opfer vor dem Abschluss. Zugleich ist auch die Rückübertragung von DDR-Grundstücken bis auf den Streit um enteignete Besitzer von Mauergrundstücken aufgearbeitet. Die Brachen der Geschichte dürfen endlich bebaut werden, ohne Verdrängung, ohne Vergessen.gn

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