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Meinung: BRIEFE AUS DEM KONVENT (11 – UND SCHLUSS) Eine Telefonnummer für Mister Europa

Gedanken zum Abschied: Deutschland darf im Konvent nicht zu früh Kompromisse machen

Am Donnerstag erreichte mich ein Anruf des Chefs des Bundeskanzleramts; die neue Regierung löst mich als ihren Vertreter im Konvent zur Zukunft Europas ab. Der Außenminister übernimmt diese Aufgabe selbst. Das ist natürlich eine vorzügliche Entscheidung, denn Joschka Fischer ist ein Europäer mit klaren Konzeptionen und von großem Gewicht. Wenn jetzt der Außenminister des größten Mitgliedstaats selbst die Konventsarbeit macht, zeigt das, welche Bedeutung Deutschland einer neuen Verfassung Europas beimisst.

Ein kleines Testament? Nicht nötig. Deutschland kann und sollte seine bisher bezogene, integrationistische Position halten und durchziehen. Es wird damit zum Partner – und Anker – vieler kleinerer Länder, wie der Benelux-Staaten, und zum Anwalt für „geteilte Souveränität“ und eine Stärkung Europas. Selbstverständlich muss Deutschland im Kampf für diese Linie auch mit den intergouvernementalen Partnern (Großbritannien, Spanien, Schweden, auch Frankreich) Kompromisse machen. Aber bitte nicht die falschen. Der Spanier Aznar, der Brite Blair und der Franzose Chirac haben den Vorschlag gemacht, einen Präsidenten des Europäischen Rates zu schaffen, der sozusagen Mister Europa werden soll. Richtig ist die dahinter stehende Idee, dass Europa eine Telefonnummer braucht. Es sollte unbedingt einen Europäer geben, der sicher sein kann, dass der amerikanische Präsident den Hörer abhebt, wenn er ihn anruft. Die Europäische Union braucht einen starken Repräsentanten.

Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Kommissionspräsident zu einer Art Staatssekretär oder Obersekretär abgewertet wird. Im Grunde gibt es ja nur zwei Alternativen: Entweder dieser Präsident Europas wird eine Art Frühstücksdirektor. Dann ist er unnötig. Oder er wird eine starke Figur, der zum Beispiel die gesamte Außenpolitik der Europäischen Union koordiniert. Dann ist die Gefahr groß, dass der Kommissionspräsident in den Schatten gerät. Das wäre der falsche Weg.

Die deutsche Delegation hat deshalb vorgeschlagen, dass der Kommissionspräsident vom Europäischen Parlament gewählt wird. Das ist die richtige Richtung. Die Kommission ist die „Hüterin der Verträge“, die Schutzmacht für die kleineren Staaten, der Garant für eine weitere Integration Europas. Sie sollte deshalb nicht geschwächt, sondern gestärkt werden.

Wenn Deutschland zu früh Kompromisse mit den Intergouvernementalen machen würde, könnte es das Vertrauen vieler Beitrittsländer und vieler kleinerer EU-Staaten verlieren. Aus diesem Grund beschränke ich mich auf einen letzten Rat: Kurshalten. Fischer wird im Konvent mit offenen Armen empfangen werden.

Der Autor ist Sozialdemokrat und war bisher Mitglied im EU-Konvent.

Peter Glotz

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