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Meinung: BRIEFE AUS DEM KONVENT (8) Auch Große haben Rechte

Von Peter Glotz Seltsame Welt. Als es um die Einführung des Euro ging, klirrten Tassen und Teller im deutschen Wandschrank, dass man Angst hatte, es könnte alles zu Bruch gehen.

Von Peter Glotz

Seltsame Welt. Als es um die Einführung des Euro ging, klirrten Tassen und Teller im deutschen Wandschrank, dass man Angst hatte, es könnte alles zu Bruch gehen. Der bayerische Ministerpräsident, jetzt ein um Sanftheit bemühter Kanzlerkandidat, sorgte sich lautstark um die Stabilität in Deutschland. Die Zahl Drei wurde zu einer heiligen Ziffer. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung die Diskussionen kaum verstanden haben dürfte, schlug sich die politische Klasse diese Ziffer um die Ohren. Es handelte sich um das Haushaltsdefizit, das drei Prozent des Sozialprodukts nicht übersteigen sollte.

Inzwischen hat sich die Debatte verändert. Die Einführung des Euro hat die Stabilität in Europa – jedenfalls bei den Ländern der Eurozone – gewaltig gestärkt. Die europäische Währung ist derzeit ziemlich hart, was vor allem an den Turbulenzen in der amerikanischen Wirtschaft und dem (sicher nicht ewig anhaltenden) Siechtum des Dollars liegt. Inzwischen machen viele aus der europäischen Linken am Stabilitäts- und Wachstumspakt herum. Die diplomatische Formulierung lautet: Man müsse das Drei-Prozent-Kriterium „flexibel handhaben" und zum Beispiel zwischen „strukturellen" und „konjunkturellen" Defiziten einen Unterschied machen.

Das alles geht in die falsche Richtung. Was wäre denn ein „strukturelles Defizit"? Eine künstliche, nicht zuverlässig berechenbare und finanzpolitisch nicht steuerbare Größe. Wir Deutschen waren mit Nachdruck für den Euro. Wir waren aber auch mit Nachdruck für die Erhaltung der Stabilität. Bei dieser Linie sollten wir bleiben. Die so genannte „Eurogruppe" (die Finanzminister von Euroland, die regelmäßig beieinander hocken) hat sich bewährt. Der deutsche Finanzminister hat sich übrigens in dieser Gruppe eine starke Position erarbeitet. Man muss jetzt nicht an den Mechanismen herumfummeln.

Natürlich wirft die Osterweiterung der Union ernste Probleme auf. Die zehn Staaten, die vermutlich aufgenommen werden sollen, repräsentieren sieben Prozent des Sozialprodukts der bisherigen Mitgliedsstaaten. Das ist nicht so arg viel. Viele sind auch noch nicht so weit, dass sie den Euro einführen könnten. Also werden die Finanzminister von Euroland im Rat der Finanzminister der EU, dem so genannten Ecofin, künftig in der Minderheit sein. Das mag Probleme aufwerfen. Über die beginnt der EU-Konvent gerade zu diskutieren.

Die Deutschen, immerhin die größten Nettozahler mit der stärksten Ökonomie in der Europäischen Union, verweigern sich dieser Diskussion nicht. Sie waren ja immer für strikte Stabilitätskriterien. Also muss man darüber reden, ob die Europäische Kommission zum Beispiel das Recht erhält, einem Mitgliedsstaat, der in ein übermäßiges Haushaltsdefizit gleitet, im Bedarfsfall eine Frühwarnung zu geben. Die Überwachung der Haushaltsdisziplin sollte funktionieren.

Aber man sollte Kinder niemals mit dem Bade ausschütten. Das könnte den Kindern weh tun. Wenn die Kommission vorschlägt, künftig bei der Verabschiedung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik ein Vorschlagsrecht zu bekommen, das von den Mitgliedsstaaten nur noch einstimmig ausgehebelt werden könnte, geht das zu weit. Die entsprechende Wirtschaftskompetenz liegt ja nicht in Europa, sie liegt bei den Mitgliedsstaaten. Auch in der EU der Kleinen, die wir demnächst aller Wahrscheinlichkeit nach bekommen werden, müssen die Großen bestimmte Rechte behalten.

Der Autor ist Sozialdemokrat und Mitglied im EU-Konvent

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