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Zum Fürchten war die Bundesregierung in den letzten Jahren zwar nicht unbedingt. Aber so viel regiert hat sie eben auch nicht.

© Klaus Stuttmann

Bundesregierung: Kontaminierte Koalition

CDU, CSU und FDP wollen sich wie in den letzten drei Jahren so häufig wieder einmal zusammenraufen. Das wird nicht gelingen.

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel ist gelegentlich für verblüffend lebensnahe Sätze gut. Eine Regierung, die weiterregieren wolle, hat Merkel neulich einer CDU-Regionalkonferenz erläutert, müsse sich auch so verhalten wie eine Regierung. Das stimmt. Es trifft auf ihre eigene Regierung indessen nur sehr begrenzt zu. Merkel weiß das. Sie hätte sich den Satz sonst sparen können. Aber es sieht nicht so aus, als ob sich auf den letzten Metern der schwarz-gelben Koalition daran noch Wesentliches ändern würde.

Denn wenn sich am Sonntag der Koalitionsausschuss trifft, dann geht es im Kanzleramt schon wieder und immer noch um die Routine letzter Gesetzespakete für diese Wahlperiode. Es geht schon wieder und immer noch um den Versuch, Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Das wäre bitter nötig. Es wird aber schon wieder nicht richtig gelingen.

Das liegt auch an den verhandelten Themen. Man könnte über das Betreuungsgeld, die Finanzausstattung für Infrastruktur, die Gefahren von Altersarmut und die Sparsamkeit in Zeiten guter Konjunktur ernsthafte und grundlegende Debatten führen. Das passiert nur nicht. Stattdessen sind all diese Fragen inzwischen derart mit Parteitaktik kontaminiert, dass ihr ernsthafter Kern kaum mehr sichtbar wird. Beim Betreuungsgeld etwa ist der Rand zur Lächerlichkeit längst überschritten – wenn diese Runde es beschließt, werden es dieselben drei Parteichefs zum dritten Mal tun.

Von so etwas kann kein Signal der Stärke mehr ausgehen, so wenig wie von einem Schwur auf solides Haushalten, von dem jeder weiß, dass die neue Sparpartei FDP auch bloß ein Produkt programmatischer Ratlosigkeit ist. Die Liberalen geben sich ja ohnehin keine Mühe mehr zu verbergen, dass für sie dieser Koalitionsgipfel längst zum Vehikel innerparteilicher Machtspiele geworden ist. Zu besichtigen ist infolgedessen ein überforderter Parteichef, der lautstark Positionen aufbaut, von denen er etliche kleinlaut wieder wird räumen müssen, und zwar unter tätiger Mithilfe seines eigenen Fraktionsvorsitzenden.

Unter diesen Umständen funktioniert natürlich auch jenes Prinzip nicht mehr, auf dem Koalitionen üblicherweise ihre Erfolge aufbauen: Gibst du mir, geb’ ich dir, und beide sind glücklich. Dieses Prinzip ist bei vielen Menschen in Verruf, zu Unrecht: Demokratie ist nicht der Versuch, für jedes Problem die beste Lösung zu finden, sondern der noch viel schwierigere Versuch, miteinander unvereinbare Interessen trotzdem halbwegs vernünftig auszugleichen.

Aber selbst diesen Minimalanspruch an Kompromissbildung hat diese Koalition in den vergangenen drei Jahren ein bisschen zu selten verwirklicht, als dass ihr jetzt noch ein Befreiungsschlag gelingen könnte nach dem Motto: Und sie verstehen es doch!

Den meisten von denen, die sich am Sonntag in Berlin versammeln, ist das sogar bewusst. Sie haben nur knapp vor dem Wahljahr keine Wahl mehr. Sie werden so tun müssen, als wäre ihnen Großes gelungen. Dabei hätte es gereicht, sie hätten sich die vergangenen drei Jahre wie eine Regierung verhalten.

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