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Meinung: Bundeswehr in Afghanistan: Volles Risiko mit leeren Kassen

Symbolik ersetzt keine Fakten, aber symbolische Gesten können Vertrauen schaffen, das Konflikte lösen hilft. Das gilt im Kleinen wie im Großen, und es gilt vor allem in der Politik.

Symbolik ersetzt keine Fakten, aber symbolische Gesten können Vertrauen schaffen, das Konflikte lösen hilft. Das gilt im Kleinen wie im Großen, und es gilt vor allem in der Politik.

In Kabul wurde gestern die Übergangsregierung feierlich in ihr Amt eingeführt. Umarmungen, ehrende Begrüßungen sich bisher befehdender Gruppen und demonstratives Händeschütteln zwischen den Gegnern von einst signalisierten die Bereitschaft, an einem friedlichen Neubeginn in Afghanistan mitzuarbeiten. Die Afghanen leben seit Jahrhunderten vom Handel. Handel aber gedeiht nur, wo Frieden herrscht. Die Fundamente für das, was in Kabul in Szene gesetzt wurde, waren vor einigen Wochen auf dem fernen Petersberg gelegt worden. Auch hier hatten wechselseitige Vertrauensbeweise das Verhandlungsklima ausgezeichnet. Die Übergangsregierung Afghanistans, deren Berufung am Rhein vereinbart worden war, ist nicht nur ein ermutigendes Zeichen aus dem Lande selbst, sie ist auch ein Erfolg der deutschen Diplomatie.

Der Bundestag hatte jetzt in Berlin den Weg für die Umsetzung dieser Diplomatie freimachen müssen. Denn vertrauensbildende Gesten können ihre Wirkung nur entfalten, wenn die Menschen sich nicht vor Terror fürchten müssen. Kabul ist von der Diktatur der Taliban befreit. Aber angstfrei ist das Leben in der Stadt nicht. Zu viele um die Macht rivalisierende ethnische Gruppen beobachten sich gegenseitig mit Argwohn. Sie würden vermutlich Zeichen der Schwäche bei anderen zur Ausdehnung des eigenen Machtsektors ausnutzen. Die UN-Friedenstruppe, zu derem deutschen Kontingent der Bundestag seine Zustimmung gab, soll das verhindern: Sie soll die afghanische Hauptstadt sichern, den Flughafen bewachen, der Übergangsregierung ein von Gewalt und Repressionen ungestörtes Einarbeiten ermöglichen. Das klingt wie ein Polizeieinsatz, aber es geht um viel mehr. Die UN-Truppe muss gegebenenfalls die Zivilbevölkerung mit Waffengewalt schützen.

Es ist für die Bundeswehr der fünfte Auslandseinsatz. Das klingt nach Routine. Und in der Tat scheinen die großen, strittigen Parlamentsdebatten über Aufträge für die Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebiets der Vergangenheit anzugehören. Spätestens der Mazedonieneinsatz der deutschen Soldaten hat die friedensstiftende Wirkung solcher Missionen nachgewiesen. Mit dem gestern diskutierten und verabschiedeten Afghanistanmandat ist aber, im Vergleich zu Mazedonien, eine neue Grenze überschritten worden. Auf dem Balkan war die Bundeswehr auch deshalb erfolgreich, weil sie schwer bewaffnet, mit Panzereinheiten zur Unterstützung im Rücken, aufgetreten ist. Einen vergleichbaren Schutz werden die deutschen Soldaten in Kabul nicht haben. Auf schnelle Hilfe aus Deutschland im Falle eines Konfliktes kann die UN-Truppe auch nicht rechnen. Die Bundeswehr ist logistisch und operativ dazu nicht in der Lage. So fehlen Flugzeuge, um Panzer nach Afghanistan zu transportieren. Wenn die afghanischen Einheiten sich nicht, wie die UN erbeten haben, freiwillig aus Kabul zurückziehen, wenn es zu Kämpfen mit Milizen kommt, ist die internationale Hilfstruppe auf Beistand der USA angewiesen.

Das wiedervereinigte Deutschland ist sicherheitspolitisch in die Pflicht genommen; ob es will oder nicht. Die deutsche Auswärtige Politik baut bei der Umsetzung ihres internationalen Engagements aber auf eine Bundeswehr, der die Politiker die notwendige Ausrüstung verweigern. Die rot-grüne Koalition überdehnt die Leistungsfähigkeit der Truppe. Und unzureichende Ausrüstung erhöht die Risiken eines Einsatzes. Eine Regierung, die die Bedingungen für solche - unausweichlichen - Auslandseinsätze nicht grundlegend verbessert, macht sich nicht nur angreifbar. Sie handelt sträflich. Da hilft ihr dann auch keine Symbolik mehr.

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