zum Hauptinhalt

Meinung: Bye-bye, BAT

Von Alfons Frese

Auf den letzten Metern wären sie beinahe noch liegen geblieben, die drei Großreformer Frank Bsirske (Verdi), Thomas Böhle (Kommunen) und Otto Schily (Bund). Doch mit letzter Kraft und viel taktischem Geschick haben die Verhandlungsführer des öffentlichen Dienstes ihre jeweils eigenen, ziemlich unterschiedlichen Truppen auf das große Ziel eingeschworen. Die vergleichsweise kleinen Einwände wurden überwunden und das Potsdamer Abkommen ist tatsächlich historisch: Nach mehr als 40 Jahren wird der Bundesangestelltentarif (BAT) von einem neuen Tarifsystem abgelöst, das weniger bürokratisch und mehr leistungsorientiert ist. Künftig wird stärker danach bezahlt, was ein Arbeitnehmer auch tatsächlich tut; die Zuschläge für Familienstand und Alter fallen weg, ab 2007 gibt es eine Prämie für die besonders Tüchtigen. Und damit der öffentliche Dienst kein Nachwuchsproblem bekommt – die Hälfte der aktuell Beschäftigten ist älter als 50 Jahre –, werden künftig Jüngere besser gestellt.

Das alles klingt völlig schlüssig und nahe liegend und war dennoch ein Kraftakt. Denn die Reform kostet Geld, das die öffentlichen Arbeitgeber nicht haben. Deshalb hat sich Verdi auf ein erstaunliches Zugeständnis eingelassen: Für immerhin drei Jahre gibt es keine prozentuale Einkommenserhöhung, sondern nur eine Einmalzahlung von 300 Euro pro Kopf und Jahr. Das ist für die Gewerkschaft schlecht und für die Gesellschaft gut: Denn den ostdeutschen Arbeitgebern, die bislang 92,5 Prozent der Westentgelte zahlen und die bis spätestens 2009 die 100 Prozent erreichen müssen, fällt nun die stufenweise Anhebung leichter. Der Osten holt auf.

Die westdeutschen Arbeitgeber haben sich nicht aus ideologischen Gründen auf pauschale längere Arbeitszeiten versteift. Die Angestellten des Bundes arbeiten künftig eine halbe Stunde länger (im Westen) beziehungsweise kürzer (im Osten). Für die Kommunen gibt es immerhin eine Öffnungsklausel, mit der unter bestimmten Umständen und nur mit Zustimmung von Verdi die 40-Stunden-Woche eingeführt werden kann – auch hiermit orientiert sich der öffentliche Dienst an der privaten Wirtschaft.

Alles in allem ist das gelungen, was zumeist am Ende von nächtelangen Tarifverhandlungen steht: Ein fairer Kompromiss – der in diesem Fall jedoch auch die Modernisierung eines Tarifwerks bedeutet, das die Arbeits- und Einkommensbedingungen vieler Millionen Menschen regelt. Und zwar viel besser als zuvor.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false