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Meinung: CDU Berlin: Ein Hauch von Welt

Vor acht Monaten hat die Berliner CDU eine Fehlentscheidung getroffen, indem sie Wofgang Schäubles Bereitschaft zur Kandidatur für die Abgeordnetenhaus-Wahlen ausschlug. Die Folgen für die Partei und die Stadt liegen heute offen vor aller Augen: SPD und PDS an der Macht, die CDU im Abseits - alles zusammen eine Wende, deren Abgründigkeit vielen erst langsam dämmert.

Vor acht Monaten hat die Berliner CDU eine Fehlentscheidung getroffen, indem sie Wofgang Schäubles Bereitschaft zur Kandidatur für die Abgeordnetenhaus-Wahlen ausschlug. Die Folgen für die Partei und die Stadt liegen heute offen vor aller Augen: SPD und PDS an der Macht, die CDU im Abseits - alles zusammen eine Wende, deren Abgründigkeit vielen erst langsam dämmert. Blickt man jedoch auf den Prozess, in dem die CDU jetzt ihren neuen Landesvorsitzenden sucht, so sieht man die Partei auf eine Entscheidung hinsteuern, die die Gefahr einer neuen Fehlentscheidung in sich birgt. Zwei Namen sind die Pole der Debatte, die aus dem Innern der Partei nach draußen dringt - Steffel und Stölzl.

Zum Thema Online Spezial: Die Berliner CDU nach der Diepgen-Ära Umfrage: Wer soll den Vorsitz der Berliner CDU übernehmen? Nachdem Frank Steffel Fraktionsvorsitzender geworden ist, ist die Wahl des neuen Parteivorsitzenden die nächste wichtige Personalentscheidung, weil sie darüber bestimmt, in welchem Geist der notwendige Erneuerungsprozess angegangen wird. Das Desaster der Wahl zum Abgeordnetenhaus hat die Partei tief zurückgeworfen, noch weit vor die bald zwei Jahrzehnte, in denen sie die bestimmende Kraft in Berlin war. Die Frage ist jetzt, ob sie inhaltlich und mental zurückfällt in die langen Nachkriegsjahre, in denen sie in Berlin auf machtlose Biederkeit abonniert war. Denn ihre Erfolgs-Geschichte verdankte die Partei der Entschlossenheit, über ihre angestammten Milieus hinaus zu greifen. So wurde sie in einer Stadt, die für eine bürgerliche Partei wahrhaftig ein saurer Boden ist, zur Vertreterin auch von Kreisen und Schichten, die mit der CDU nichts am Hute haben - weit hinein in die Anhängerschaft von SPD oder FDP.

Was folgt daraus? Dass die CDU sich nicht aus sich selbst heraus regenerieren kann. Der Rückzug auf ihre vermeintlichen Stärken, auf Kietz-Pragmatik und Reinickendorfer Grundsätzlichkeit, die den Entschluss begründeten, mit Steffel in den Wahlkampf zu ziehen, hat in eine Sackgasse geführt. Natürlich, jede Partei lebt auch von ihren Milieu-Bindungen, und die Berliner CDU wäre nichts ohne die Kreise, in denen man öfters auch um sich selber kreist, ob nun in Zehlendorf oder Hellersdorf. Aber ebenso sicher ist, dass die CDU keinen Erfolg haben wird, wenn sie nicht über ihren eigenen Schatten springt: über ihre Selbstbezogenheit, die Neigung zu parteiinternen Kleinkriegen, die Berliner Uns-kann-keiner-Mentalität. Sie kann nur wieder zu einer maßgebenden politischen Kraft werden, wenn sie den Ausgriff in die größere Dimension wagt, in die die Stadt hineinwächst - Berlin als Hauptstadt, als politische Werkbank der Republik, als Forum auch intellektueller Auseinandersetzung.

Doch der Kandidat der CDU muss auch eine Antwort geben auf die Erregung, in die die rot-rote Koalition, aber eben auch das Scheitern der CDU an sich selbst, viele in Berlin gestürzt hat. Der Volksfront-Schatten, der über der Stadt liegt, seitdem die SPD die Nachfolgerin der alten Mauer-Partei in den Senat geholt hat, und der Stil der Stillosigkeit, in dem sich die neue Regierung präsentiert, erleben viele - gerade jenseits der Bindung an Parteien - als Politisierungs-Schub.

Man tut Steffel keinen Tort an, wenn man findet, dass er nicht der Mann für diese Lage ist. Stölzl dagegen gäbe den Ton an, der die Partei von der Verstrickung in sich selbst befreien könnte: einen Ton von Offenheit, Bürgerlichkeit, Weltläufigkeit. Mit ihm könnte sich Berlin auch in der Bundesrepublik wieder sehen lassen. Übrigens hat die Berliner CDU in ihrer Geschichte eine Phase gehabt, in der sie sich so darstellte. Es war der Beginn ihrer Erfolgs-Ära, es waren die zwei Jahre, in denen Richard von Weizsäcker sie führte. Alle Vergleiche hinken, aber dieser hinkt wenigstens in die richtige Richtung. Denn Stölzl könnte der Vorstellung eines bürgerlichen Berlins eine neue, auch politisch fruchtbare Anziehungskraft geben.

Das einzige Gute am Schaden ist - wie man weiß -, dass er klug machen kann. Schaden hat die Berliner CDU in den letzten Monaten genug gehabt. Die Entscheidung, wen sie an ihre Spitze stellt, wird Auskunft darüber geben, wie klug sie daraus geworden ist.

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