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Meinung: CDU-Spendenaffäre: Die teuerste Million ihres Lebens

Moderation, Management und Moral - aus diesen drei Elementen speist sich die Macht der CDU-Vorsitzenden.Das Moderieren - das modernste Form der Macht-Camouflage - beherrscht Angela Merkel.

Moderation, Management und Moral - aus diesen drei Elementen speist sich die Macht der CDU-Vorsitzenden.

Das Moderieren - das modernste Form der Macht-Camouflage - beherrscht Angela Merkel. Sie kann sowohl Dinge wegmoderieren, wie zum Beispiel den unheimlichen Ex-Vorsitzenden Helmut Kohl mitsamt seiner Spendenaffäre. Jedenfalls vorübergehend. Sie kann aber auch Standpunkte zusammenmoderieren, wie jüngst die Wende der Union in der Einwanderungs- und Asylpolitik. Ein Höhepunkt ihrer Moderationskunst war sicherlich, wie sie mit Edmund Stoiber zusammen die Frage geklärt hat, auf welche Weise dereinst der Kanzlerkandidat der Union gekürt wird. Wenn Merkel das Moderieren anfängt, dann können sich die innerparteilichen Gegner warm anziehen.

Zum Thema Dokumentation: Kieps Brief an die CDU Nicht ganz so gut steht es mit ihren Management-Qualitäten. Beim professionellen Verwalten von Politik unterlaufen ihr immer wieder Fehler. Der auffälligste war das Rentenplakat, auf dem der Kanzler als Verbrecher abgebildet war. Und jetzt unterlief ihr ein weiterer schwerer Fehler - das Handling der neuesten Million des Walther Leisler Kiep. Der wiegt schwerer, obwohl alle im Bundesvorstand der CDU ihn durch schweigendes Dabeisitzen mitbegangen haben.

Dieser Fehler jedoch trifft zugleich ins Zentrum ihrer moralischen Integrität. Sie, die vor einem Jahr mit der Spendenaffäre an die Spitze der CDU kam. Sie, die Helmut Kohl vom Sockel gehoben hat. Sie, die Aufklärung bis zur letzten Mark versprochen hat. Sie, die nur weil sie unverstrickt war, an Wolfgang Schäuble vorbeiziehen konnte und musste. Ausgerechnet sie lässt es zu, dass eine Kiep-Million noch einmal die Parteifinanzen der CDU kontaminiert. Und sagt dann, man werde dieses Geld nur anrühren, wenn es "sauber" sei. Sauberes Geld von Walther Leisler Kiep - das hört sich für normale Ohren an wie: Kinderbibeln von Beate Uhse. Alle zusammen haben den Fehler gemacht, lässig mit der Kiep-Million umzugehen. Aber niemand hätte er so wenig passieren dürfen wie Angela Merkel.

Darüber, wie und warum sie Parteivorsitzende wurde, gibt es zwei sehr gegensätzliche Interpretationen. Die eine besagt, vereinfacht, dass sie die Spendenaffäre aufgeklärt habe und dann zum Lohn an die Macht gekommen sei. Die andere besagt, dass Angela Merkel taktisch geschickt und eiskalt die Affäre für ihren Aufstieg genutzt hat und die Spenden ihr von der Minute an gleichgültig waren, da sie sie nach oben gebracht hatten. Mit ihrem Mangel an Sensibilität, ja Alarmiertheit gegenüber der Kiep-Million gibt Angela Merkel der zweiten Interpretation Nahrung. Obwohl wahrscheinlich beide Lesarten ungefähr gleich wahr sind.

So oder so hat sie an moralischem Gewicht verloren. Und jetzt zeigt sich erneut, wie riskant ihre Strategie der "Kraft der Unschärfe" ist. Denn Inhaltlichkeit, die Bereitschaft, sich politisch zu erkennen zu geben, der Mut, sich auf eine bestimmte Politik einzulassen, das Risiko, Schaden zu nehmen, wenn man in einer Sache unterliegt - das ist heute die kleine Münze politischer Moralität. Und von dieser Währung hat Angela Merkel zurzeit nur noch wenig im politischen Portefeuille. Erst recht nicht seit ihrer Reise in die USA. Dort hat die ehemalige Umweltpolitikerin weniger energisch fürs Klima gestritten als kurz zuvor der Automann Schröder.

Je mehr Angela Merkel einzig den Erfolg, ihren eigenen und den der Partei, zum Kriterium ihrer Politik macht, desto mehr schlagen Fehler beim Management durch. Die Aura der Macht schützt nur den, der viel davon hat. Und von den anderen schützenden Umhüllungen - die Moralität und das Charisma der spätberufenen Politikerin - ist im Moment nicht mehr allzu viel zu sehen.

Was sie jetzt stabil hält, ist die Machtkonstellation innerhalb der Union: Edmund Stoiber muss, so ihr Kalkül, als Kanzlerkandidat in die wenig aussichtsreiche Bundestagswahl gehen, weil er 2006 zu alt wäre. Und Roland Koch kann noch nicht ran, weil er erstmal Hessen gewinnen muss. Zwischen diesem Noch-Nicht des einen und dem Nicht-Mehr des anderen liegt Merkels Sicherheit. Diese Sache jedenfalls hat sie mutig analysiert.

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