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Meinung: Chinesisches Verwirrspiel

Der Export der Hanauer Atomfabrik birgt zivile Risiken statt militärische/ Von Alexander S. Kekulé

POSITIONEN

Eine Klarstellung ist überfällig: Die Hanauer „Plutoniumfabrik“, wie sie von Politikern und sogar in öffentlichrechtlichen Fernsehnachrichten genannt wird, ist gar keine. Die Anlage stellt kein Plutonium her und kann auch nicht für diesen Zweck umgerüstet werden, sie ist nicht einmal Zwischenlieferant für die Produktion des Bombenstoffs. Im Gegenteil: Die Hightech-Fabrik vermengt Plutonium mit großen Mengen niedrig angereichertem Uran zu „Mischoxid“ (Mox), das als Sprengstoff unbrauchbar ist. Die lautstark geforderte Garantie zur nicht militärischen Verwendung der Anlage ist deshalb so überflüssig wie die Aufnahme von Chinaböllern in das Waffenexportgesetz.

Zur Herstellung von Bomben-Plutonium wird das in Kernreaktoren aus Uran entstehende Plutonium in einer Wiederaufbereitungsanlage aus den verbrauchten Kernbrennstäben herausgelöst. Das dabei gewonnene, chemisch gebundene Plutonium wird schließlich in die reine Form des Elementes umgewandelt. China hat seit den 60er Jahren drei derartige Produktionsstrecken betrieben, aus denen nach einschlägigen Schätzungen noch mindestens vier Tonnen waffenfähiges Plutonium zur Verfügung stehen – genug für etwa 800 Atombomben. Obwohl keine offiziellen Angaben existieren, gehen Abrüstungsexperten davon aus, dass Peking die Produktion Ende der 80er Jahre mangels weiteren Bedarfs eingestellt hat.

Gewiss ist auch das postmaoistische China in den Fächern Kooperation mit der internationalen Atombehörde und Nichtverbreitung von Kernwaffen kein Musterschüler: Peking war Geburtshelfer der „islamischen Bombe“ Pakistans, lieferte Anlagen zur Urananreicherung nach Teheran und brachte Nordkorea bei, wie man Plutonium wiederaufbereitet. Wenn es der Atommacht gefällt, wird sie eines Tages wieder Plutonium für Bomben produzieren – technologische Hilfe aus Hanau benötigt sie dafür allerdings nicht.

Dennoch gibt es gute Gründe, den Export der Mox-Fabrik zu stoppen. Im Gegensatz zu den USA und Russland, die jeweils etwa Hundert Tonnen Waffenplutonium vernichten müssen, hat China kein Entsorgungsproblem. Auch die sieben Kernkraftwerke haben noch keinen Plutoniumberg angehäuft. Das Interesse an der in Deutschland entwickelten Mox-Technologie hat einen ganz anderen Grund: Peking bereitet den ganz großen Einstieg in die zivile Plutoniumwirtschaft vor. Der Energiebedarf des bevölkerungsreichsten Landes der Erde wird sich bis 2015 verdreifachen, in drei Jahrzehnten wird er den der USA überholen. Selbst die gigantischen Kohlevorräte des Landes, die immer noch rund 75 Prozent der Energie liefern, werden dann nicht mehr ausreichen.

Das Land der Mitte setzt deshalb auf den „Plutoniumkreislauf“. Um ihn vorläufig zu schließen, benötigt Peking die Mox-Fabrik, die aus wiederaufbereiteten Uran- und Plutonium-Abfällen neue Brennstäbe fertigt. Im zweiten Schritt soll dann eine Utopie wieder belebt werden, an der sich die westlichen Technologiestaaten bereits heftig die Finger verbrannt haben: Der schnelle Brüter. Dieser kann – im Prinzip – den Abfall aus der Wiederaufbereitung direkt als Brennstoff nutzen und dabei auch noch mehr Plutonium erbrüten als er an spaltbarem Material verbraucht. Mit Blick auf dieses vermeintliche Perpetuum mobile hat China auch Interesse an dem für den schnellen Brüter in Kalkar gebauten Reaktorkern – und nicht etwa wegen des darin enthaltenen unreinen Plutoniums.

Ob China die Risiken der Plutoniumwirtschaft in den Griff bekommen wird, muss bezweifelt werden. Nach Schließung von Sellafield in England ist La Hague in Frankreich die einzige noch betriebsbereite Wiederaufbereitungsanlage, der einzige großindustrielle schnelle Brüter „Superphénix“ wurde 1996 abgeschaltet. Schurkenstaaten könnten theoretisch aus gestohlenem Mox waffenfähiges Plutonium gewinnen. Hinzu kommen die Risiken beim Transport der plutoniumhaltigen Brennstäbe. Die westlichen Atomsünden zur Nachahmung nach China zu exportieren, ist ein gefährlicher Irrweg.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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