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„Christiansen“ hört auf: Was guckst du?

Von Joachim Huber

Zwischen dem Parlament und dem „Ersatzparlament“ liegen nur wenige Kilometer. Manchmal sitzen mehr Bürger auf den Besuchertribünen des Bundestages als Abgeordnete im Plenum. Die 477 Sitzungen des „Ersatzparlaments“ an der Budapester Straße verfolgten im Schnitt 4,4 Millionen Zuschauer. Trotzdem heißt die Bundeskanzlerin Angela Merkel und kommt von der CDU, sie heißt nicht Sabine Christiansen von der ARD. Merkel regiert über den heutigen Sonntag hinaus, an dem Sabine Christiansen ihre Talkshow beschließt.

Die Politik, die Politiker haben das Format von Anfang an ernst genommen. Der CDU-Mann Friedrich Merz lobhudelte gar, die Sendung bestimme die politische Agenda in Deutschland mittlerweile mehr als der Bundestag. Das Gastsein bestimmte das Bewusstsein. Sabine Christiansen setzte auf die Live-Präsenz der Runde, ihr Talk verzichtete auf Tiefenbohrung, Nachhaken, Reflexion.

Seien wir ehrlich: Auch wir haben eingeschaltet, weil wir Konflikt, Krawall und Politik mit den Mitteln der TV-Unterhaltung wollten. Wurde „Sabine Christiansen“ zur Phrasendreschmaschine? Wahr ist, dass dieser Sonntagstalk den einen Quadratkilometer Irrsinn in Berlins Mitte, kartiert über Medien, Parlament, Regierung und Opposition, ins schnelle Rotieren gebracht hat. „Sabine Christiansen“, das hieß Visualisierung von Politikern und Verlautbarung von Politik.

Doch je älter die Talkshow, desto klarer wird: Hier wird Politik ins Fernsehvolk verkauft, gemacht wird sie weiterhin im Dunkel der Macht. Kein Talk der Welt löst knifflige Fragen wie Pflegeversicherung oder Mindestlohn. Vergröbern, vereinseitigen, Schuld diktieren, Sühne fordern – Ende der Veranstaltung. Ein erstarrtes Ritual. Die Journalistin ist klug, wenn sie aufhört, ehe die Langeweile der Zuschauer in Desinteresse umschlägt. Ansonsten gilt: Sabine Christiansen geht, Anne Will kommt – Angela Merkel bleibt.

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