zum Hauptinhalt

Darüber spricht ganz …: … Irland

Martin Alioth über den in letzter Sekunde abgewendeten Plan um ein schäumendes Nationalheiligtum.

Der kalte Kommerz hat sich nun doch der historischen Sentimentalität gebeugt: Jedes in Irland getrunkene Pint Guinness wird auch künftig in der ehrwürdigen Brauerei am James’s Gate im Dubliner Stadtzentrum gebraut werden. An den Tresen der Insel herrscht Erleichterung, seit das riesige, britische Konglomerat Diageo am Freitag darauf verzichtete, das schwarze Bier in einer klinischen, neuen Anlage am Dubliner Stadtrand zu produzieren und das wertvolle Land zu verkaufen.

Das dickflüssige, dunkle, von einer sahnigen Haube gekrönte Getränk, das eigentlich Porter oder Stout heißt, bildet einen Teil der irischen Identität. „A pint of plain“ wurde nicht nur vom Autor Brendan Behan als Wahrzeichen gehuldigt. „Onkel Arthur“ – Arthur Guinness, um genau zu sein – hatte das rund 25 Hektar große Gelände am Nordufer des Flusses Liffey 1759 für 45 Pfund pro Jahr gepachtet; vorausschauenderweise für 9000 Jahre. Zum Ausklang des 19. Jahrhunderts stand da die größte Brauerei der Welt.

Diageo geht mit anderen Standorten in Irland nicht so zimperlich um: Die Brauerei in Kilkenny, wo sogar schon seit 1710 das Ale „Smithwick’s“ gefertigt wird, soll geschlossen werden. Ebenso die Anlage in Dundalk, wo das blonde Harp gebraut wird. Dafür werden zwei neue Bierfabriken gebaut: die eine innerhalb der alten, denkmalgeschützten Fabrikbauten am Liffey, die andere am Dubliner Stadtrand. Dort sollen ab 2013 alle Marken für den Export gebraut werden – vulgärerweise auch Carlsberg und Budweiser unter Lizenz. Dafür wird es viel weniger Angestellte brauchen als bisher: die brauende Belegschaft sinkt stufenweise von derzeit 434 auf 183. Aus der Perspektive der Eigentümer, die auch Johnny Walker Whisky und die Wodka-Marke Smirnoff vertreiben, ist der Plan das Ei des Kolumbus, denn er finanziert sich selbst: Landverkäufe in Dublin, Kilkenny und Dundalk sollen mindestens eine halbe Milliarde Euro einbringen.

Das Schlimmste ist also verhindert worden. Die Manager von Diageo gaben am Freitag offen zu, dass ihre Motive, in St. James’s Gate zu bleiben, nicht rein altruistisch waren: Die auf Tradition und Authentizität gebaute Marke Guinness hätte die Entwurzelung nicht überlebt, meinten sie. Zudem lässt sich damit ja auch ganz gut Geld verdienen: Das Guinness Storehouse, ein faszinierendes Museum für „the black stuff“ ist der größte Besuchermagnet Irlands geworden. Und tatsächlich: Ein Pint in der Gravity Bar, mit unbehindertem Ausblick auf 360 Grad Dublin, ist eine Reise wert.

Martin Alioth

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false