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Darüber spricht ganz …: … Italien

Gerhard Mumelter über einen Nahostkonflikt mitten in Turin

Literatur und Politik sind „zwei grundverschiedene Angelegenheiten“, das hielt Ernesto Ferrero für eine „Tatsache“. Doch seit am vergangenen Mittwoch 14 Demonstranten mit Kefiah und palästinensischen Fahnen sein Büro stürmten, hat die Überzeugung des 70-jährigen Autors Risse bekommen. Seit dieser „unerhörten Aggression“ hat der Leiter der Turiner Buchmesse Mühe, die Welt zu verstehen. Seine Mailbox wird mit Drohungen und Schimpftiraden überflutet, die den geschätzten Literaten „zutiefst betrüben“.

Allerdings: Ein gewisses Quantum Mitschuld an den erregten Polemiken um seine Buchmesse trägt auch Ernesto Ferrero selbst . Denn als Gastland der Anfang Mai stattfindenden „Fiera del libro“ war in diesem Jahr Ägypten vorgesehen. Mit Einwilligung Kairos beschloss die Messeleitung, die Teilnahme zu verschieben. Sie sollte 2009 zeitgleich mit einer Großausstellung über das antike Ägypten im glanzvoll restaurierten Jagdschloss der Savoyer stattfinden. Dass Ferrero und sein Stiftungsrat das arabische Land dann ausgerechnet durch Israel ersetzten, war vermutlich keine glückliche Eingebung. Eine Flut wütender Proteste ergoss sich über die Messeleitung. Ägypten reagierte verärgert, die Liga der arabischen Schriftsteller rief zum Boykott der Veranstaltung auf. Ein Antrag der Turiner Kommunisten, die Einladung auf Palästina auszudehnen, ließ den Fall endgültig zum Politikum ausarten. Nobelpreisträger Dario Fo unterstützte diese Forderung. Gegner und Befürworter des Boykotts gerieten sich in die Haare.

Die Folge: ratlose Veranstalter, irritierte Sponsoren und verärgerte Verleger. Der Anregung, auch Palästina einzuladen, schob die israelische Botschaft umgehend einen Riegel vor. In einem verschnörkelten Kommuniqué bestätigten die Veranstalter Israel als einziges Gastland. Arabische und palästinensische Autoren seien willkommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fronten längst so verhärtet, dass die zahlreichen Aufrufe prominenter Autoren weitgehend ungehört verhallten. Dass Israel auch Gastland des Pariser Buchsalons sei, werteten arabische Zeitungen als „konzertierte Aktion“ zum 60-jährigen Bestehen des Landes. Folgerichtig müsse auch Paris boykottiert werden. Die Einladung der Messeleitung an die Palästinenser komme zu spät, kritisierte die palästinensische Autorin Suad Amiry. „Jeder von uns, der jetzt noch nach Turin fährt, wird selbst boykottiert.“ Die Buchmesse drohe, „zur politischen Kampfarena zu entarten“, sorgt sich die Turiner „La Stampa“. Ernesto Ferrero zeigt sich „ratlos angesichts all dieser Verbohrtheit“. Zumal zu denen, die seine Buchmesse boykottieren, nun auch der israelische Autor Aaron Shabtai gehört.

Gerhard Mumelter

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