zum Hauptinhalt

Darüber spricht ganz …: … Spanien

Ralph Schulze über neue Initiativen zur Aufarbeitung der Franco-Diktatur.

Ich weiß nur, dass meine Mutter Maria hieß“, erzählt Juan Perez Silva. An mehr kann er sich nicht mehr erinnern. Der 72-jährige Spanier war 15 Monate alt, als er Maria zum letzten Mal sah. Im August 1936 verschleppten die Todesschwadronen General Francos seine Mutter im Süden Spaniens. Sie kam nie wieder nach Hause. Genauso wenig wie sein Vater Miguel, ein Gewerkschafter, von dem der Sohn nur weiß, dass er nach seiner Ermordung in einem Massengrab in der Stadt Cartagena verscharrt wurde.

Nun, mehr als 70 Jahre später, hofft Juan Perez Silva, dass die Untaten während des Bürgerkriegs (1936–1939) und der nachfolgenden Franco-Diktatur (1939–1975) endlich aufgearbeitet werden. Zusammen mit 50 weiteren Familien reichte er Klage beim Nationalen Gerichtshof ein. Damit die Menschenrechtsverbrechen und das Verschwinden von zehntausenden Franco- Gegnern endlich aufgeklärt werden.

Bei der Suche nach Gerechtigkeit bekommt Juan Perez jetzt Hilfe von Spaniens Regierung. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Jose Luis Zapatero brachte nach langem Streit im Parlament ein Geschichtsgesetz auf den Weg, das die Gräueltaten wenigstens moralisch wiedergutmachen soll. Die Urteile aus der Franco-Zeit, mit denen Oppositionelle eingesperrt, enteignet oder hingerichtet wurden, sollen demnach für „unrechtmäßig“ erklärt werden. Auch sollen die geheimen Spitzelarchive der Franco-Polizei geöffnet werden, ähnlich wie es mit Stasiakten in der Ex-DDR geschah.

Dabei geht es Zapatero vor allem um eine symbolische Anerkennung der Diktaturopfer und die Wiederherstellung ihrer Ehre, weniger um finanzielle Entschädigung. Auch ist keine Verfolgung jener wenigen noch lebenden Franco- Schergen vorgesehen, die an Unrechtstaten beteiligt waren. Das Wiedergutmachungsgesetz könnte trotzdem die Justiz ermutigen, Ermittlungen aufzunehmen. Spaniens Richter gingen zwar gegen lateinamerikanische Diktatoren vor, verschlossen aber bisher die Augen vor Menschenrechtsverbrechen im eigenen Land. Wohl auch, weil im Zuge des Übergangs der 1975 endenden Diktatur zur Demokratie ein „Pakt des Schweigens“ ausgehandelt worden war, um eine Versöhnung des gespaltenen Volkes zu erleichtern. Spaniens konservative Opposition, die das Gesetz ablehnt, würde dieses Kapitel deshalb lieber unter dem Teppich lassen. Annähernd 150 000 Republikaner fielen der Verfolgung Francos zum Opfer. 30 000 davon, die in Massengräbern verscharrt wurden, gelten bis heute als verschwunden.

Ralph Schulze

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false