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Schluss mit Kuscheln: Angela Merkel macht jetzt ernst.

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Das Bild der Kanzlerin: Von der Wohlfühl-Angela zur Maggie-Merkel

Man reibt sich ungläubig die Augen: Aus der präsidialen Kanzlerin aller Deutschen ist die Kanzlerin der Taten geworden, auch und gerade der unpopulären. Doch Merkels Wandel ist nicht freiwillig, sondern aus der Not geboren.

Von Robert Birnbaum

Im kleinen Einmaleins des Politikers nehmen seit jeher der Versuch und die Versuchung einen prominenten Platz ein, das eigene Bild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen. Zum Glück gelingt das meistens nicht. Andere – Medien, Bürger, Parteifreunde und politische Gegner – pinseln immer kräftig mit. So gesehen ist es bemerkenswert, wie gut Angela Merkels jüngste Selbstverwandlung funktioniert, und das sogar noch als Wandel mit Ansage. Aus der präsidialen Kanzlerin aller Deutschen – Wappenspruch: „Allen wohl und keinem wehe“ – ist die Kanzlerin der Taten geworden, auch und gerade der unpopulären. Man reibt sich ungläubig die Augen. Zu Recht. Auch dies ist wieder nicht ganz ernst gemeint.

Erstens ist der Wandel nicht freiwillig, sondern aus der Not geboren. Das schwarz-gelbe Wunschbündnis hat sich ein Jahr lang selbst an den Rand des Abgrunds gezerrt. Ob Merkel im Urlaub in alten Helmut-Kohl- und Gerhard-Schröder-Reden geblättert hat, ist nicht überliefert. Sie hat aber den gleichen Schluss gezogen wie ihre Vorgänger in vergleichbar desaströser Lage: Es reicht nicht, das Chaos zu stoppen – man muss es vergessen machen. Und nichts verhilft besser zu neuem Korpsgeist als Raufhändel mit politischen Gegnern.

Zweitens ist der Gestus der Entschlossenheit durch äußere Umstände erzwungen. „Herbst der Entscheidungen“ klingt tatendurstig; die schlichte Wahrheit ist: Es wurde höchste Zeit. Auch der Wahltermin in Baden-Württemberg rückt unerbittlich nah. Schließlich, drittens, hätte sich Merkel manches ersparen können, wenn sie früher verinnerlicht hätte, dass das Ende der großen Koalition zur Rückkehr der Lager führt. Sie ist nicht mehr Kanzlerin der allermeisten Deutschen, sondern maximal der knappen Hälfte.

Merkel blieb also nichts übrig, als vom Sonnendeck in den Maschinenraum zu klettern, wo es heiß ist und schmutzig. Den Heizern von der eigenen Basis gefällt das. Dass es auch bei anderen Eindruck schindet – zweifelhaft. Wer längere Atomlaufzeiten falsch findet, den stimmt eine entschlossene Miene nicht um. Wem Stuttgart 21 bisher egal war, wird quasi zur Stellungnahme gezwungen, wenn die Kanzlerin ein Regionalprojekt zur Haupt- und Staatsaktion erhebt.

Läuft es gut, kann Merkel mit alledem die eigene Stammbesatzung moralisch so weit aufrichten, dass die sich wenigstens nicht mehr für ihre Berliner schämt. Der Preis ist hoch. Die CDU-Chefin sprengt Teile der mühsam angelockten Wechselwählerschaft wieder ab. Der Nutzen mag in einem Stammland wie Baden-Württemberg den Schaden aufwiegen; spätestens bei Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen reicht die Mobilisierung der Parteibuchbesitzer bei Weitem nicht aus.

Es gibt dann aber keinen Weg zurück von der Maggie-Merkel zur Wohlfühl-Angela. Politiker können vielleicht manchmal ihr Bild selbst neu entwerfen. Doch die Zahl der Mutationen ist begrenzt. An der Frage, wer die wahre Merkel ist – die Leipziger Reformerin, die Klimakanzlerin, die konfliktscheue Moderatorin oder die Regierungschefin, die sich jetzt ohne Not auch noch mit Deutschlands Mietern anlegt –, an dieser Frage sind schon viele verzweifelt, weil die Antwort stets lautete: Je nachdem.

Aber irgendwann wird der diffuse Moloch Öffentlichkeit der Wandlungen müde. Er legt dann jeden Politiker auf ein Bild fest. Es ist selten das vorteilhafteste. Guido Westerwelle oder Horst Seehofer haben dieses Endstadium wahrscheinlich erreicht. Angela Merkel ist ihm einen großen Schritt näher.

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