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Das Elysée-Syndrom: Die Nachsichtigkeit der Franzosen ist am Ende

Hat er illegal Spenden von der L'Oreal-Erbin-Bettencourt angenommen? Nicolas Sarkozy stolpert über seine Nähe zum Geld – die Affäre wird ernst.

Was hat Nicolas Sarkozy eigentlich falsch gemacht? Alle französischen Präsidenten gerieren sich wie Sonnenkönige, sind sie einmal in den pompösen Elysée-Palast eingezogen. Sie unterscheiden wenig zwischen Privilegien, die ihnen von Amts wegen zustehen, und privaten Interessen. Sie hieven ihre Familienmitglieder in Ämter und Würden.

Bisher hatten die Franzosen wenig dagegen einzuwenden. Dass die politische Klasse, zumeist aus einigen wenigen Eliteschulen und Hochschulen rekrutiert, sich weniger als Staatsdiener denn als moderne Aristokraten versteht, mag der französischen Geschichte geschuldet sein. So ließen die sonst aufmüpfigen und streikbereiten Franzosen ihrer politischen Elite die Vetternwirtschaft und die enge Verbandelung mit der Wirtschaft durchgehen – die monarchische Republik ist der Begriff, den Soziologen dafür geprägt haben.

Doch anscheinend ist die Nachsichtigkeit der Franzosen am Ende. Nur so lässt sich erklären, dass die noch unbewiesenen Behauptungen einer Buchhalterin, Sarkozy habe illegal Spenden für seinen Wahlkampf angenommen, sich zu einer echten Präsidenten-Affäre auswachsen. Und nur so lässt sich erklären, dass zwei Hinterbänkler-Minister wegen Völlerei auf Kosten der Steuerzahler wirklich zurücktreten mussten.

Warum die Franzosen nicht mehr wegsehen, liegt bisher vor allem in der Person Sarkozys. Er hatte den Bruch mit dem stagnierenden System versprochen. Doch anschließend hat er hauptsächlich Schlagzeilen gemacht, weil er die Allianz mit den Superreichen und die Vetternwirtschaft derart öffentlich und obszön ausgelebt hat, dass selbst den Franzosen schwindelig wurde: Wahlparty im „Fouquets“ im Kreise von Unternehmern und Showstars, dann Lustreise auf der Luxusyacht seines Unternehmerfreundes Vincent Bolloré, Rolex- und Patek-Philippe-Uhren.

Auch als er seinen Sohn, Jean Sarkozy, zum Direktor des Geschäftsviertels La Défense machen wollte, ging der Senior gar zu dreist vor: Der 23-Jährige hatte gerade erst das Jura-Studium begonnen. Das Ergebnis: Sarkozy ist der unbeliebteste Franzose – erst recht seit Fußballnationaltrainer Domenech gegangen ist. Eine Wiederwahl kaum denkbar.

Doch möglicherweise ist es der Wirtschaftskrise zu verdanken, wenn der Blick jetzt nicht nur auf eine Person, sondern auf das gesamte System fällt, das solches Gebaren zulässt. In Zeiten, in denen die Franzosen Abschied nehmen sollen von Privilegien – wie der Rente mit 60 oder wohl bald der 35-Stunden-Woche –, könnten auch andere heilige Kühe auf den Prüfstand kommen.

Sollte ein Haushaltsminister gleichzeitig Schatzmeister seiner Partei und damit Spendeneinsammler sein? Und die Ehefrau beim größten Spender angestellt werden? Wie unabhängig ist die Justiz, die in der Bettencourt-Affäre Klarheit schaffen soll? Wenn Sarkozys Gebaren den Anstoß gibt für eine Hinterfragung politischer Gepflogenheiten, könnte er doch noch einen Neuanfang in die Wege leiten.

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