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Meinung: Das Ende des Miteinander

Von Gerd Appenzeller

Während auf den ersten Blick viele Anzeichen für die Herausbildung einer zumindest symbolischen Großen Koalition sprechen, erkennt man bei genauerem Hinschauen, dass sich parallel dazu bestehende, aber zeitweise heruntergespielte Gegensätze verschärfen. Das gilt zum einen für das absehbare Ende des engen Schulterschlusses zwischen dem Kanzler und der Wirtschaft, wird aber auch spürbar durch eine neue Schärfe im Umgang der Bundesregierung mit dem Bundespräsidenten. In beiden Fällen geht der härtere Ton vom rotgrünen Lager aus. Provoziert wurde er jedoch durch das Verhalten der anderen Seite. Fraglich, ob das nur mit zunehmender Nervosität vor den nordrhein-westfälischen Wahlen zu tun hat oder Indiz für grundsätzliches Umsteuern ist. Unzweifelhaft wird Gerhard Schröder ungeduldig angesichts der mangelnden Bereitschaft deutscher Großunternehmen, den Standort Bundesrepublik zu stärken. Der sozialdemokratische Kanzler ist den Forderungen der Arbeitgeber in einem Maße nachgekommen, das ihm in der eigenen Partei größte Probleme bereitet hat. Anders als der Mittelstand, der Betriebe nicht verlagern kann oder will, profitieren viele der 30 Dax-Unternehmen von den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten bei der Verlagerung der Produktion ins Ausland auch noch. Beim Jobgipfel gab es weitere Angebote zur Flexibilisierung und Senkung der Körperschaftssteuer. Des Kanzlers harsche Forderung, nun sollten die Unternehmen endlich investieren, ist vielleicht auch eine Kursänderung. In jedem Fall zeigt der neue Ton, dass sich Schröder gegenüber der eigenen Wählerschaft absichert. Seht her, heißt das, wir haben alles geboten – aber „die“ wollen nicht.

Ähnliches belegt die Attacke von Ministerin Renate Künast gegen den Bundespräsidenten. Horst Köhler hat mit seiner „Vorfahrt-für-Arbeit“-Rede vor den Arbeitgebern das bisherige Verständnis von der Neutralität des Staatsoberhauptes weit gedehnt. Damit aber macht er sich angreifbar. Wer Partei ergreift – und das hat Köhler getan – wird selbst zur Partei. Ob nur im Hinblick auf NRW oder überhaupt: Rot-grün vermittelt das Gefühl, alles Mögliche für mehr Arbeitsplätze getan zu haben, aber möglicherweise an einem Gegner zu scheitern, der in seinen Forderungen auch deshalb unersättlich ist, weil er auf keinen Fall einen rot-grünen Erfolg bei irgendeiner Wahl will.

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