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Joachim Gauck und Francois Hollande bei ihrer Umarmung auf dem Hartmannsweilerkopf.

© Reuters

Das Erbe von 1914: Krieg ist kein Evangelium

Joachim Gauck und François Hollande setzten ein Zeichen der Tradition, ähnlich dem des Handschlags von Verdun. Um das Erbe zu erhalten, braucht es eine neue deutsche Außenpolitik - eine des Friedens und der Vermittlung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein würdiges Gedenken, das erinnert an die vergangenen Zeiten, an die überwundenen. Joachim Gauck und François Hollande setzen ein Zeichen in der Tradition, der neueren, zwischen den vormaligen Erbfeinden, die heute über alle Parteigrenzen hinweg zu Erbfreunden geworden sind. François Mitterrand und Helmut Kohl Hand in Hand über den Gräbern von Verdun – dieses Bild ist Vorbild.

Aber soll Gedenken zugleich Mahnung sein, muss es zu neuem Denken führen. Und gerade diese Zeiten, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, verlangen das. Der Krieg in Nahost, der Konflikt an der ukrainisch-russischen Grenze: wenn das kein Weckruf ist! Doch gerade nicht im Sinn einer Neuorientierung in der Außenpolitik, die sich besonders über vermehrte Auslandseinsätze einer deutschen Armee Gedanken macht. Das ist altes Denken. Nötig ist vielmehr eine neue deutsche Friedenspolitik. Und das denkt, gottlob, die geläuterte Nation.

Auf Waffen liegt kein Segen

Wenn der Satz richtig ist, dass Ruhe mit Ruhe beantwortet wird – ein Satz aus dem Nahostkrieg –, dann kann das zum schlagkräftigen Theorem werden. Zum Beispiel: In Zeiten der Ruhe muss umso mehr mit allen Instrumenten der Friedenssicherung gearbeitet werden. Erst das bedeutet nachhaltige Entwicklung bei fairem Interessenausgleich auf allen Seiten. Nur schon Interessen festzustellen und die nebeneinanderzustellen, um sie dann möglichst gemeinsam zu gewichten, ist ein harter Kampf. Einer, der unnachgiebige Selbstbeherrschung und unerschrockene Zivilität erfordert. Am Ende kann dieser Kampf ein ruhmreicher und gewinnbringender sein. Es gibt Vorbilder dafür.

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sollte sich auf diesem Feld auszeichnen. Das zumal, nachdem Deutschland wegen seiner Bedeutung schon von US-Präsident George Bush dem Älteren in den 90er Jahren Partnerschaft in der Führung angeboten worden war. Aber Führung bei der Friedenssicherung – die ist den Deutschen geboten. Dieses Land müsste das als vorrangige Aufgabe annehmen, im europäischen Kontext und besonders an den Grenzen Europas. Dadurch verteidigt es die Werte des Westens am besten. Es ist doch, wie der Erste Weltkrieg gezeigt hat: Auf Waffen liegt kein Segen.

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