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Das neue Schloss für Berlin: Grundsteinlegung für einen Hybrid

Am Mittwoch wird der Grundstein zum Berliner Stadtschloss gelegt. Das Bauwerk wird ein Kompromiss in jeder Hinsicht und vermag weder die Kanzlerin noch den Regierenden zu begeistert.

Die Erde werde sich auftun und den Berliner Dom verschlingen, sollte jemand es wagen und den Palast der Republik abreißen! Abenteuerliche Szenarien kursierten nach der Wende. Es wurde hektisch gebaut, zuweilen wütend debattiert. Alte Hässlichkeiten wurden verteidigt, neue geplant. Das wird sich wohl nie ändern in einer Stadt, die keine gebaute und gewachsene ist. Die nie zur Ruhe gekommen ist in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten.

Am heutigen Tag der Grundsteinlegung schaut man zugleich voraus und blickt zurück. Wo jetzt eine Riesengrube gähnt, soll in sechs Jahren ein Bauwerk stehen, das zwei Namen hat: Schloss und Humboldt-Forum. Ein Hybrid in jeder Hinsicht. An keinem Ort Berlins verdichtet sich Geschichte derart, spürt man eine solche Leere. Das erklärt die gewaltige Herausforderung und den Dissens.

Jetzt beginnt eine neue Phase. Vorüber ist die Zeit der ideologischen Kämpfe. Es wird gebaut, endlich. Dabei enthält die Grundstein-Kartusche viel Material, das auch diesen Neubau belastet. So will es der Brauch, eine Zeitung wird mit eingemauert. Von einem gestrandeten Flughafen wird darin die Rede sein und einer verteuerten Staatsoper, von mysteriösen Drohnen und plötzlich verschwundenen Berlinern, von einer Bundeskanzlerin Angela Merkel, die tags zuvor beim Gipfeltreffen der deutschen Industrie auftrat, den Weg zur Großbaustelle im Herzen der Hauptstadt jedoch nicht fand.

Wo einst das Schloss der Hohenzollern stand, ein finsterer Bauriegel, entsteht etwas Neues und Neuartiges, hoffentlich Helles und Einladendes, ein Museum des 21. Jahrhunderts mit der Präsentation der außereuropäischen Sammlungen, die heute in Dahlem schlummern. Aber auch die Ägypter, Babylonier, die kleinasiatischen Griechen vis-à-vis auf der Museumsinsel sind kulturell und historisch keine reinen Europäer; die gab es nie. Das Humboldt-Forum kann ein Ort der globalen Anschauung, des Lernens, des Austauschs werden, ein Publikumsmagnet.

In Frankreich stehen die grand projets, vom Centre Pompidou zum Musée du Quai Branly, ganz oben auf der Agenda. Hier nicht: Zwar hat der Bundestag den Aufbau der Schlossfassaden bestimmt. Aber weder die Bundeskanzlerin noch ihr Kulturstaatsminister Bernd Neumann haben sich jemals für das wichtigste kulturelle Bauvorhaben der Bundesrepublik eingesetzt. Nicht qua Amt und schon gar nicht mit der Leidenschaft und Intellektualität, die ein Humboldt-Forum verdient. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit findet kaum ein warmes Wort. Immerhin: Bundespräsident Joachim Gauck ist Schirmherr.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wiederum versteht es bis heute nicht, die Öffentlichkeit für den Wunderkasten zu begeistern. Ohnedies hat sie Baustellen genug: am Neuen Museum, mit der Gemäldegalerie und den komplizierten Rochaden. So kommt es, dass stets vom Schloss die Rede ist und nicht vom Humboldt-Forum. Alexander von Humboldts wild-poetische Entdeckerlust – sie fehlt.

Selbst für Schlossfreunde und -helfer ist heute nicht nur ein Jubeltag. Franco Stella hat für die Ostseite eine kalte, moderne Fassade entworfen. Sie grüßt den Alexanderplatz, der vor Schreck in die Höhe schießen könnte. Ein Kompromiss wird gebaut, kein großer Wurf, das war schon nach dem Wettbewerb klar. Das Humboldt-Schloss braucht Zukunft und Patina zugleich. Es kann nur besser werden. Und wenn hier keiner abhebt und nichts absäuft, dann bleiben die Kosten vielleicht wirklich unter der Milliarde.

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