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Meinung: Das Welt-Trauma

7. Jahrestag von „Nine-Eleven“: Wie dieses Datum zu „unserem Tag“ werden kann

Von Caroline Fetscher

Der 11. September 2001: Ein gewöhnliches Datum wurde an diesem Tag vor sieben Jahren zum Begriff. Es genügt, die beiden Wörter „Nine-Eleven“ zu hören. Sofort weiß man, welcher Tag und welches Jahr gemeint sind, während vor dem inneren Auge die Bilder der in sich zusammenstürzenden Türme des World Trade Centers in New York auftauchen. Nicht nur am Jahrestag geschieht das, sondern alltäglich irgendwo, in Nachrichten oder Gesprächen. „Nine-Eleven“ ist zum Ausdruck für ein globales Trauma geronnen.

Der elfte September war der Auftakt des 21. Jahrhunderts, das mit der Hoffnung begonnen hatte, nach dem langen Kalten Krieg käme unweigerlich eine Ära sich ausbreitender Demokratisierung. Stattdessen musste die demokratische Welt die Erkenntnis bewältigen, dass mitten im Frieden eine Handvoll radikal religiöser Attentäter das Zentrum einer westlichen Metropole zum Schauplatz eines Massenmordes machen konnte.

Doch geronnen ist nicht nur das Datum zu einem Begriff, sondern auch, allmählich, die kollektive Erinnerung zu einem Cluster medialer Eindrücke. Dahinter mag sich keineswegs Gleichgültigkeit verbergen, sondern vielmehr der gesunde und für Traumatisierte typische Wunsch, sich nicht wieder und wieder von einer großen Verwundung in der Vergangenheit überwältigen und betäuben zu lassen. Weshalb sollte man sich im Dauerschock aufhalten, weil damals eine Gruppe von Fanatikern eine Großstadt jenseits des Atlantiks erschüttert hat? Hätten sie dann nicht erst recht einen Ertrag aus ihrem Verbrechen gezogen?

In der Vernarbung und Ritualisierung harrt aber eine Gefahr, die keiner unterschätzen sollte. Anfangs, als Amerika sich zu wehren begann, waren aufgeklärte Köpfe der übrigen Welt auf der Seite des Einsatzes gegen die Taliban in Afghanistan. Inzwischen scheint vielen dieser Einsatz zu teuer, zu langwierig, zu unabsehbar oder sogar grundfalsch, eine „Einmischung“ in innere Angelegenheiten von Staaten wie Afghanistan und Pakistan. Dass es keineswegs innere Angelegenheiten darstellt, wenn solche Nationen in den Händen Radikaler sind, das ist die Lehre aus „Nine-Eleven“, die nicht gerinnen darf. So grotesk die Realität wirkte: Aus den Höhlen von Tora Bora führte eine direkte Verbindung zum Todeskrater in New York. Wäre etwa der Potsdamer Platz in Berlin ein solcher Krater, ein Tatort, an dem dreitausend Menschen ermordet wurden, würden wir den Kontext von allein akuter wahrnehmen.

Solidarität mit dem Einsatz gegen die „religiös“ motivierten Paranoiker bedeutet, sich das vorstellen zu können: „Nine-Eleven“ war ein Angriff auf die Demokratie, deren Feinde die Täter und ihre Sympathisanten nach wie vor sind. Demokratie zu fordern, zu exportieren, wo immer möglich von innen zu fördern, muss das unbeirrbare Ziel gegenüber Nichtdemokratien bleiben. So kann „Nine-Eleven“ eines Tages und im Rückblick zu „unserem Tag“ werden, ein Datum, das den Auftakt für demokratische Entschlossenheit symbolisiert.

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