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Meinung: Das Zitat ist die Tat

Ein Gutes hat der Streit um die V-Leute im NPD-Verfahren. Niemand wusste, wofür dieses "V" eigentlich steht.

Ein Gutes hat der Streit um die V-Leute im NPD-Verfahren. Niemand wusste, wofür dieses "V" eigentlich steht. Jetzt wissen wir: Es steht für Verwirrung. Denn die ist heillos zurzeit. Wem soll man glauben? Die einen sagen: Kein Problem, die Zitate in den Anträgen stammen aus der Zeit vor oder nach der V-Mann-Tätigkeit. Überhaupt, die Beweislage ist doch erdrückend, ohne oder mit V-Männern ist die NPD so gut wie weg. Die anderen sagen: Das Verbot wird durch die immer neuen Enthüllungen gefährdet - wenn es nicht schon gescheitert ist.

Die einen, das sind vor allem die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition im Bundestag. Es ist nicht klar, was sie dabei so sicher macht, aber dafür ist sehr klar, warum sie sich so äußern. Schon das bloße Zurückziehen und erneute Überarbeiten wäre ein neuer Tiefschlag für die Regierung.

Haben deshalb die anderen Recht? Nein. Die Wahrheit liegt dazwischen, ist kompliziert und als Munition in der politischen Schlacht um das Verfahren ungeeignet. Zunächst: Jeder Strafrichter weiß, dass Zeugen die schlechtesten Beweismittel sind. Menschen sind nun mal ungenau. Dass viele Informationen im Verbotsverfahren von V-Leuten stammen, von privaten Zuträgern also, deren Motiv und Wirken im Dunkeln liegt, macht die Sache nicht leichter. Immerhin werden viele ihrer Ermittlungen in den Antragsschriften als "Behördenzeugnis" gekennzeichnet. Verfassungsschützer präsentieren darin abgeschöpfte Informationen aus den braunen Runden in den Hinterzimmern der NPD. Doch ein Richter, der einen solchen Beweis zu würdigen hat, weiß, woran er ist. Und fasst ihn mit spitzen Fingern an. Denn es ist immer zweifelhaft, welche Rolle der Beobachter spielte und welchen Einfluss er auf das Geschehen hatte.

Strafrichter haben mit solchen Zeugnissen leben gelernt. Doch in Karlsruhe stellt sich das Problem jetzt in einer anderen Dimension: Hier sind es auch die Aussagen von V-Leuten selbst, derentwegen die Partei verboten werden soll. Ihr Zitat ist die Tat. Wenn Richter es bewerten müssen, geht dies nur in Kenntnis aller Umstände. Welche Rolle spielt die Person heute und welche vor ihrer Äußerung? Welche Gründe hatte sie damals und wie würde sie heute dazu stehen? Aussagen sind keine Urkunden und keine Gegenstände. Alles zur Person ist deshalb wichtig. Und es ist sicher die wichtigste Information, ob diese Person ein V-Mann ist, war oder später noch wurde.

Diese nötigen Informationen hat das Gericht von den drei Antragstellern nicht bekommen. Ob aus Dummheit, dem Glauben, es werde auch so gut gehen, oder gar mit Absicht, ist ungewiss. Die drei Staatsorgane dürfen sich diesen katastrophalen Unfall zu gleichen Teilen zurechnen. Sie hatten es gemeinsam in der Hand, ihn zu vermeiden. Jetzt haben sie es in der Hand, dass kein neuer Schaden entsteht. Bundestag, Bundesrat und allen voran die Bundesregierung haben das Verfassungsgericht in Sachen Parteiverbot bislang vor allem als Vollstrecker eines Mehrheitswillens betrachtet. Das sollten sie schleunigst ändern. Denn diese Bereitschaft in Karlsruhe dürfte, wenn sie denn je vorhanden war, rapide gesunken sein.

Seit Beginn der Diskussion um ein Verbot der NPD lastet ein enormer Druck auf dem Bundesverfassungsgericht. Statt ihn zu vermindern, haben die verantwortlichen Politiker alles getan, ihn zu verstärken. So kam es zu drei Anträgen, wo ein gut begründeter gereicht hätte. Und nur so ist es zu verstehen, dass immer noch von vielen Seiten tönt, wie sicher ein Verbotsurteil sei. Leider ist nichts mehr sicher. Der politische Druck muss raus aus dem Verfahren. Jetzt hilft nur leise, aufwändige und korrekte juristische Überzeugungsarbeit - ob in Form eines neuen Antrags oder nicht, ist zweitrangig. Nur: Es muss alles auf den Richtertisch. Sonst könnte uns das Gericht am Ende zeigen, dass etwas noch nicht automatisch Recht ist, nur weil alle es wollen.

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