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Meinung: Das zweite Gesicht

Von Ingrid Müller

Die Deutschen mögen Mecklenburg-Vorpommern. Sie kommen gern an die Küste, fahren in die Kaiserbäder. Mieten sich ein saniertes Häuschen und einen Strandkorb. Genießen mit ihren Familien Sand und Wasser. Gucken verträumt den Windjammern auf der Hanse-Sail in Rostock nach. Man könnte auf die Idee kommen, dort oben lebt es sich richtig gut.

Aber das meinen immer weniger von denen, die dort leben. Die geblieben sind. Denn viele haben sich längst aufgemacht. Anderswohin. Wer sich aber aufmacht in dieses karge Land – mit so wenigen Menschen, aber so vielen Arbeitslosen – der kommt durch Orte, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Noch immer, 16 Jahre nach der Einheit. Einheit? Kennt die Republik dieses Land? Dessen Menschen? Die sich wohl nicht nur von denen verlassen fühlen, die gegangen sind. Links liegen gelassen die meiste Zeit des Jahres auch von der Kanzlerin, die dort ihren Bundestags-Wahlkreis hat? Die sich ausgerechnet mit dem US-Präsidenten bei ihnen blicken lässt.

Viele von denen, die blieben, haben die Hoffnung aufgegeben, haben diesmal gar nicht gewählt. Da mutet es besonders ironisch an, dass nirgendwo sonst die Politik schöner residiert – als im Schweriner Schloss. Mancher mag meinen, viel weiter schaffen es manche Politiker nicht. Sonst hätten sie nicht so spät bemerkt, dass die NPD erfolgreich die Stimmung bediente. Mit Parolen wie „Touristen willkommen, Ausländer nicht“ oder „Wehrt Euch, es reicht!“ den Nerv vieler Menschen treffen konnte. Vor allem der Jungen. Wohl auch jener, die sonst gar nicht wählen gehen, sagen Wahlforscher. Die Rechtsextremen, 2002 kaum sichtbar, sitzen im Landtag.

Harald Ringstorff und seine SPD haben die Frustration im Land unterschätzt. Der Regierungschef hat den Menschen nicht vermitteln können, er habe einen Plan. Das Ergebnis ist ein Denkzettel, ein Merkzettel. Da warten einige Fragen: Was ist das richtige Profil? Was sind die richtigen Schwerpunkte? Die sind zu klären, einerlei für welche Koalition.

Die Republik guckt entsetzt in den Norden. An solchen Abenden mögen sie Meck-Pomm anderswo nicht. Und wie in Sachsen sieht es so aus, als wüssten die anderen Parteien nicht recht, wie sie die Lage beherrschen sollen. Nun müssen sich die Demokraten gemeinsam auf denWeg machen. Für die Wähler. Noch sind das 1,42 Millionen Menschen.

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