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Eine Euroflagge vor der EZB in Frankfurt. Am Montag soll der ESM in Kraft gesetzt werden. Viele Deutsche sind skeptisch.

© dapd

Dauerhafter Rettungsschirm ESM: Schirm der Hoffnung oder gefräßiges Monster?

Die Politiker treffen sich am Montag, um den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM aus der Taufe zu heben - drei Buchstaben, bei denen die Deutschen misstrauisch werden und um ihr Geld fürchten. Dabei ist die Bundesrepublik bis heute gut aus allen Krisenprogrammen herausgekommen.

Besonders feierlich werden sich die wenigsten Deutschen fühlen, wenn sie an diesem Montag den Finanzministern der 17 Euroländer bei der Arbeit zusehen. Die Politiker treffen sich in Luxemburg, um den ESM aus der Taufe zu heben. Das Misstrauen vieler Deutsche vor dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ist enorm, denn vielleicht entwickelt sich das neue Baby der Euroretter ja zu einem Monster, das sich verselbstständigt und unseren Wohlstand auffrisst. Kompliziert waren die Geburtsumstände allemal, das Bundesverfassungsgericht brauchte Monate, um den neuen Rettungsschirm zu begutachten. Nun also wird er aufgespannt. Ein guter Tag für Europa, ein schlechter Tag für Deutschland?

Der ESM löst den bisherigen Rettungsschirm EFSF ab, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität. Kein Wunder, wenn die Leute bei solchen Begriffen misstrauisch werden, sich die Taschen zuhalten und Mutmaßungen über den Sinn der Eurorettung anstellen. Der EFSF war ein Provisorium, aus der Not geboren und auf Zeit angelegt: Weil sich Griechenland, Irland und Portugal auf dem Kapitalmarkt nicht mehr mit Krediten zu halbwegs verträglichen Konditionen versorgen konnten, übernahm das der EFSF. Dafür müssen die betroffenen Länder sparen und Strukturen so ändern, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Der ESM ist dagegen auf Dauer angelegt, gewissermaßen als europäisches Pendant zum Internationalen Währungsfonds (IWF). Eine Art Feuerwehrfonds, auf den Staaten in Not zurückgreifen können. Und dafür die bittere Pille der Auflagen schlucken müssen – oftmals tiefe Schnitte in das staatliche Leistungsspektrum, die fast immer zulasten der Schwächsten in der Gesellschaft gehen. Aber so funktioniert das Spiel im Finanzkapitalismus: Der Gläubiger hat das letzte Wort und zwingt den Schuldnern seine Bedingungen auf. Aus der Sicht der Geldgeber klingt das anders. ESM-Chef Klaus Regling spricht von einer Brückenfinanzierung, die den Krisenstaaten solange hilft, bis die Reformen greifen.

Wir sind jedenfalls dabei. Zum Eigenkapital des ESM steuert die Bundesrepublik 21,7 Milliarden Euro bei, dazu kommen 168,3 Milliarden Euro an Garantien. Wenn es ganz dumm kommt, dann kostet die neue Finanzorganisation den deutschen Steuerzahler also 190 Milliarden Euro. Kann sein, ist aber nach jetzigem Stand nicht wahrscheinlich. Bis heute ist die Bundesrepublik gut aus allen Krisenprogrammen rausgekommen – und zwar eher mit Gewinn als mit Verlust, weil die gewährten Garantien nicht fällig wurden.

Garantien der Euro-Länder braucht auch der ESM, um Anleihen auszugeben, sich also Geld auf dem Kapitalmarkt zu besorgen, das er dann an Krisenländer weiterreicht. Vielleicht an Spanien. Dann kommt die Doppelstrategie zum Einsatz: Wenn etwa Madrid beim ESM Hilfe beantragt und dafür Reformzusagen macht, steht auch die Europäische Zentralbank bereit, um spanische Anleihen zu erträglichen Zinsen zu kaufen. Im Ergebnis wird so das Ausbluten Spaniens verhindert.

Das ist das Kalkül von Europas Politikern. Es könnte aufgehen. Allein schon die Ankündigung der EZB, Anleihen von Krisenländern kaufen zu wollen, hat die Risikoprämien von spanischen und italienischen Staatsanleihen gedrückt. Die Märkte funktionieren über Erwartungen, und das „So-tun-als-ob“ wirkt manchmal ganz vorzüglich. Jedenfalls kurzfristig. Auf mittlere Sicht hilft nur eine bessere Wettbewerbsfähigkeit. Die erforderliche Zeit bis dahin können sich die Krisenländer nun mithilfe des ESM kaufen.

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