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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© dpa

Debatte um die Richterwahl: Mehr Demut beim Bundesverfassungsgericht

Bisher werden die Richter für das Bundesverfassungsgericht nur von einem Ausschuss des Bundestags gewählt. Bald soll das ganze Plenum bestimmen. Die Botschaft lautet: Mehr Demut, bitte!

Wann eigentlich gibt es Reformbedarf? Dazu drei Varianten: a) Wenn die Lage unerträglich ist; b) Wenn die Lage besser werden könnte; c) Wenn die Lage weder unerträglich noch verbesserbar ist, aber alle trotzdem meinen, dass eine Reform nötig sei. Wo sortiert man nun den aktuellen Koalitionsvorstoß ein, die Richterwahl am Bundesverfassungsgericht neu zu gestalten? Nach den Plänen sollen die höchsten Rechtsausleger künftig vom Bundestag gewählt werden.

Innovativ ist das nicht, es steht im Grundgesetz. Je zur Hälfte werden sie von Bundestag und Bundesrat bestimmt, heißt es. Der Bundesrat erledigt seinen Job im Plenum. Der Bundestag dagegen hat die Aufgabe an einen zwölfköpfigen Ausschuss übertragen, der mit Zweidrittelmehrheit entscheiden muss. Die Reform ist nun eine Rolle rückwärts zum Wortlaut der Verfassung. Auch im Bundestag soll das Plenum ran. Mit dem Ausschuss verband sich die Absicht, die Richterwahl parteipolitischen Einflüssen zu entziehen. Ein Ziel, das fulminant erreicht wurde. Zwar kungeln sich die Fraktionen „ihre“ Kandidaten nach Proporz zurecht, doch bekommt davon niemand etwas mit.

Wie ein Springteufelchen hüpft irgendwann eine neue rote Robe aus der Kiste, deren Partei-Etikett spätestens bei Amtsantritt wieder verblasst ist. Von „schwarzen“ oder „roten“ Richtersenaten redet in Karlsruhe längst niemand mehr; der SPD-Gerichtspräsident Voßkuhle pflegt das Erbe des Nationalstaats wie sein Vorgänger, CDU-Richter Papier, zum Aufstand gegen eine übergriffige Staatsmacht blies. Seine notorische Blockfreiheit hat das Gericht endgültig zur Lieblingsinstitution der Deutschen werden lassen. Die Lage ist also nicht nur gut, sie ist ausgezeichnet. Das System garantiert – bisher – hervorragendes Personal und eine hohe Akzeptanz der Urteile.

Der Bundestag wird trotzdem nur abnicken

Damit kommt Variante c) ins Spiel. Tatsächlich meinen viele in der Politik, dass sich Karlsruhe etwas von ihrem demokratisch doch ungleich besser legitimierten Pragmatismus entfremdet habe. Allen voran Parlamentspräsident Norbert Lammert, der mit der Reformidee schon 2012 kam, nachdem das Gericht in einer Europa-Angelegenheit betont hatte, wie wichtig das Plenum sei. Die Rückkehr der Wahl in die Vollversammlung würde den Richtern wieder etwas deutlicher machen, wer ihnen die Weihe verleiht. Eine Reform als Botschaft: Mehr Demut, bitte.

Ob das ankommt, darf man bezweifeln, zumal der Ausschuss einen Vorschlag machen und es keine Aussprache geben soll. Der Bundestag nickt nur ab. Das Plenum wäre also gerade nicht in der Eigenschaft gefordert, die ein Plenum ausmacht: die Debatte in Vielfalt fürs Volk. Und einen Richterkandidaten im Wahlkampf mag sich niemand vorstellen. Es wäre keine Reform, sondern eine Revolution. Aber vielleicht wird die irgendwann mal nötig.

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