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Leiser Killer: Eine amerikanische Kampfdrohne des Typs MQ 1 Predator wird auf einer Militärbasis in Kalifornien gewartet.

© dpa

Verteidigungspolitik: Der deutsche Umgang mit der Drohnenfrage ist bigott

Deutschland will Drohnen anschaffen und duldet offenbar, dass die Amerikaner von Militärbasen im Land ihr Kriegsgerät steuern. Doch mit den moralischen und juristischen Fragen will sich die Regierung nicht befassen.

Von Robert Birnbaum

Wer dieser Tage Zeitung liest, könnte leicht geneigt sein, kurz gen Himmel zu gucken, bevor er sein Haus verlässt: Schwirrt da schon eine? Die Drohne beherrscht den Luftraum über den Redaktionsschreibtischen auf eine Weise, wie es seit dem Starfighter kein Kriegsgerät mehr geschafft hat. Die eine Drohne darf nicht fliegen. Die anderen, bewaffneten, sollen unbedingt demnächst fliegen. Und die neueste Frontmeldung aus dem medialen Drohnenkrieg lautet: Die Amerikaner benutzen Militärbasen in Deutschland zur Unterstützung von Killerdrohnen, die in Afrika Jagd auf angebliche Terroristen machen. Falls jemand langsam den Überblick verliert und der Einfachheit halber alles Drohnenzeugs für des Teufels erklärt – wer wollte es verdenken?

Versuchen wir ein wenig zu sortieren. Über das abrupte Ende des „Euro Hawk“ wird noch zu reden sein, wenn der Verteidigungsminister seinen Bericht vorgelegt hat. Dass der fliegende Pottwal allerdings im Prinzip sinnvoll, ja sogar dringend notwendig ist, bezweifelt kaum einer. Aus großer Höhe zu belauschen, was am Boden funkt, spricht und strahlt, ist für Soldaten im Einsatz überlebenswichtig. Bis 2010 erledigte die Aufgabe ein brummelndes Propellerflugzeug. Seit der Oldie außer Dienst ist, ist die Bundeswehr gewissermaßen auf dem Ohr taub.

Wie jede Militärtechnik können Drohnen missbraucht werden

Man kann übrigens die Daten dieser Signalaufklärung auch für üble Zwecke nutzen. Oft führt ein unvorsichtig eingeschaltetes Funktelefon eine US-Kampfdrohne auf die Spur ihres Opfers. Auch diese Militärtechnik, wie jede, kann missbraucht werden. Und Menschen in Nicht-Kriegsgebieten zu töten ist nach unserem Verständnis Missbrauch, Verstoß gegen das Völkerrecht, vielleicht gar Mord. In den USA sehen das viele anders. Präsident Barack Obama hat versprochen, bei Drohnenattacken besser hinzuschauen. Gestoppt hat er sie nicht.

Darin liegt für Deutschland eine Herausforderung. Die Frage, ob eine US-Relaisstation in Ramstein und ein US- Afrika-Stab bei Stuttgart den Tatbestand der Unterstützung völkerrechtswidriger Kriegshandlungen erfüllen, ist dabei noch das geringste Problem. Juristisch wird es kaum sauber zu lösen sein, schon weil Militärisches für viele Zwecke nutzbar ist. Kann denn jemand ausschließen, dass scheinbar harmlose Informationen der deutschen Marine-Piratenjäger vor Somalia vielleicht das letzte Puzzlesteinchen einer Drohnen-Menschenjagd liefern? Bildet der Einsatz in Afghanistan nicht als Kollateraleffekt das Rückgrat für den US-Drohnenkrieg in Pakistan?

Sobald sie Informationen austauschen, könnten die Deutschen das letzte Puzzlestück für eine Menschenjagd zu liefern

Seit sich Deutschland entschieden hat, am Kampf gegen Terror teilzunehmen, ist moralische Eindeutigkeit nur noch um den Preis der Bigotterie zu haben. Das ist ein Dilemma. Und es ließe sich sicher nicht auflösen, wenn eine Bundesregierung den Abriss einer US-Parabolantenne im Hunsrück betreiben würde.

Schulterzucken ist aber auch die falsche Reaktion. Vielleicht wäre es politisch zu viel verlangt, dem großen Verbündeten deutlich die deutsche Kritik an dessen Killer-Drohnenkonzept vorzuhalten. Aber verdruckste Halbsätze reichen auch nicht aus. Es ist ja schön zu hören, dass wir demnächst zwar die gleichen Drohnen anschaffen, sie aber für – psst! Ihr-weißt-schon-was – nicht nutzen wollen. Das ersetzt nur keine ernsthafte eigene Befassung mit den komplizierten moralischen, juristischen, strategischen und politischen Fragen, die dieses neue Kampfmittel aufwirft. Bisher wirkt die Regierung – bei aller Diskussionsbereitschaft – auf diesem Ohr ein wenig taub.

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