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Meinung: Der Kurs der Deutschland AG

Warum Börsenboom und Wachstumsschwäche kein Widerspruch sind

Deutschlands Wirtschaft: Sie liegt am Boden, braucht ein politisches Sanierungsprogramm nach dem anderen, will einfach nicht ordentlich wachsen. Dagegen Deutschlands Börsen: Sie sind wieder da. In dieser Woche hat der Dax, in dem die 30 wichtigsten deutschen Aktiengesellschaften notiert werden, zum ersten Mal seit Mai 2002 die 5000 Punkte-Marke übersprungen.

Es gibt nur wenige Experten, die glauben, das alles sei schon wieder eine Blase, die keinerlei Abbild in der wirklichen Welt habe. Die meisten sagen: Die deutschen Unternehmen sind wieder gut in Form, die Gewinne steigen, der Export wächst. Besser noch: Die Börse bewertet nicht nur die Gegenwart, sondern reflektiert auch die Erwartung, dass es den Firmen in nächster Zeit weiter gut gehen wird – trotz steigender Öl- und Energiepreise.

Daraus nun aber den Schluss zu ziehen, dass alles in Ordnung ist im Land, ist gefährlich. Die Börsenhausse zeigt nur , dass die Großen ihre Chancen genutzt haben, fit zu werden – inklusive massiven Personalabbaus. Sie zeigt, dass die Marktteilnehmer ihnen das auch weiterhin zutrauen. Und die Hausse macht deutlich, dass die deutschen Firmen trotz des Erfolgs an den Börsen im internationalen Vergleich immer noch vergleichsweise preiswert sind. Vor allem ausländische Investoren treiben die Kurse.

Die guten Börsen-, Direktinvestitions- und Exportzahlen, für die Bundeskanzler Schröder im Wahlkampf gern gelobt werden will, verdankt er zu einem guten Teil genau den Heuschrecken, die Parteichef Franz Müntefering am liebsten sofort aus dem Land vertreiben würde. Volkswirtschaftlich macht sich der Erfolg der Unternehmen dagegen nicht bemerkbar. Gerade erst haben die Wirtschaftsforschungsinstitute und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr auf etwas mehr als ein Prozent gesenkt. Die Arbeitslosenzahl geht zwar zurück, aber nur, weil es schön warm ist und viele Saisonarbeiter länger Arbeit haben. In wenigen Wochen werden die Zahlen wieder steigen. Und der Binnenkonsum berappelt sich, ist aber immer noch erschütternd schwach.

Die Aktienkurse und die allgemeine Entwicklung der Wirtschaft scheinen nicht zueinander zu passen. Und sie tun es doch. Denn sie zeigen, wie gut und wie schnell die Starken auf dem Markt gelernt haben. Sie zeigen, wie viel Geld selbst die Unternehmen inzwischen im Ausland verdienen, die im Inland wenig verkaufen. Das heißt: Selbst wenn die Stimmung im Inland schlecht ist, muss das den Firmen nicht mehr schaden. Auf den Standort Deutschland sind sie nicht mehr angewiesen.

Das sieht auf der Seite der Kleinen und Schwachen ganz anders aus: Sie müssen bleiben. Die Mittelstands-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik einer Bundesregierung wird nicht an der Börse notiert, der Druck der Investoren fehlt. Deshalb haben sich die Politiker sehr viel Zeit gelassen, bis sie ein Fitnessprogramm beschlossen und ins Werk gesetzt haben.

Und jetzt? Tatsächlich, das Land ist inzwischen in vielen Bereichen besser als sein Ruf. Für eine Hausse reicht es zwar noch lange nicht, aber die Kurse könnten schon steigen, wäre die Deutschland AG an der Börse notiert. Jedenfalls, wenn die Marktteilnehmer erwarten könnten, dass die Sanierungsanstrengungen weitergehen.

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