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Meinung: Der Lohn der Rezession

Gut, dass wir Hans Eichel haben. Der Finanzminister trägt unseren Schuldenberg ab, er bringt so langsam den Haushalt ins Lot und zieht uns weniger Steuern aus der Tasche (jedenfalls ein bisschen weniger).

Gut, dass wir Hans Eichel haben. Der Finanzminister trägt unseren Schuldenberg ab, er bringt so langsam den Haushalt ins Lot und zieht uns weniger Steuern aus der Tasche (jedenfalls ein bisschen weniger). Und eben hat uns Hans Eichel erklärt, wie wir eine schwere Wirtschaftskrise vermeiden können: einfach mehr einkaufen. Wir sollen uns von den Terroristen nicht die Konsumlaune vermiesen lassen, sondern die Konjunktur ankurbeln.

Doch mit Appellen lockt man die Leute nicht zu Autohändlern und in Einrichtungshäuser. Der Verbraucher braucht Geld und dazu den Willen, es auch auszugeben. Denn wer Angst vor der Zukunft hat, der legt sich lieber was zurück und verschiebt den Kauf des Fernsehers. Die Angestellten der Deutschen Bank, die Mitarbeiter in der Siemens-Handyproduktion oder die Beschäftigten der Luftfahrtgesellschaften werden in diesen Tagen kaum größere Anschaffungen tätigen. Sie sorgen sich vielmehr um ihren Arbeitsplatz beziehungsweise um ein sicheres, regelmäßiges Einkommen. Deshalb klingt mit zunehmender Arbeitslosigkeit die Eichelsche Aufforderung ziemlich hohl.

Das trifft auch zu für die Ankündigung mancher Gewerkschafter, in der kommenden Tarifrunde reichlich Lohnprozente durchsetzen zu wollen. Getreu der schlichten Formel: Höhere Einkommen gleich höhere Ausgaben, das führt zum höheren Absatz der Unternehmen, die wiederum neue Arbeitsplätze schaffen. So einfach liegen die Dinge leider nicht. Schon gar nicht 2002, wenn die Tarifverhandlungen unter außergewöhnlichen Umständen stattfinden.

Erstens hängt im kommenden Frühjahr die Konjunktur noch immer durch. Und zweitens will im Herbst der Kanzler der Gewerkschaften wiedergewählt werden; eine harte Runde, womöglich noch mit Streiks, wird sich Gerhard Schröder verbitten. Auch deshalb verbitten, weil er bei seinen Freunden, den Funktionären, noch was gut hat: Bei der Rente, der Mitbestimmung oder dem Recht auf Teilzeit ist die Regierung den Gewerkschaften entgegen gekommen.

Nun kann Klaus Zwickel seinen drei Millionen Metallern kaum vermitteln, dass sie für die Wiederwahl Schröders auf einen Teil der Lohnerhöhung verzichten müssen. Deshalb könnte ein kleiner Trick dem IG-Metall-Chef helfen: Weil die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Frühjahr nicht absehbar ist, schlägt Zwickel einen moderaten Tarifabschluss erstmal für sechs oder acht Monate vor. Wenn der Kanzler dann wiedergewählt ist und die Konjunktur wieder unter Dampf kommt, wäre die Luft rein für eine deftige Tarifforderung.

Davor haben die Arbeitgeber Angst. Gerade in diesen unsicheren Zeiten, so ihre Argumentation, brauchten die Unternehmen Kalkulationssicherheit. Also sollte ein möglichst langfristiger Tarifvertrag bereits im nächsten Frühling abgeschlossen werden. Und wenn es zwischenzeitlich den Firmen wieder besser gehe, könnte etwas draufgelegt werden - versprechen die Arbeitgeber.

Am liebsten wäre den Unternehmen eine Flexibilät der Entgelte: Wenn das Geschäft schlecht läuft, dann verdient der Mitarbeiter weniger und umgekehrt. Allerdings beanspruchen auch abhängig Beschäftigte Planungssicherheit: Wer heute nicht weiß, was für ein Gehalt er morgen ausgezahlt bekommt, der wird sich kaum für den Kauf eines Autos verschulden. Deshalb darf das monatliche Einkommen der Beschäftigten nicht zur Disposition stehen.

Aber warum nicht die Höhe von Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld am Ertrag des Unternehmens orientieren? Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit gibt es inzwischen Tausende unterschiedlicher Modelle allein in der Metallindustrie. Im Vergleich dazu werden bei der Bezahlung die Firmen und Branchen noch immer über einen Kamm geschoren, was das gesamte Tarifsystem in Verruf gebracht hat. Etwas mehr Spielraum auch bei der Bezahlung würde den Unternehmen, dem Tarifsystem und damit auch den Gewerkschaften gut tun.

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