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Meinung: Der radioaktive Präsident

Merkel und Bush: Warum bessere persönliche Beziehungen allein nicht helfen werden

Persönliche Chemie ist wichtig in der Politik. Zwei Mächtige, die einander vertrauen, können viel bewegen. Präsident George Bush senior und Kanzler Helmut Kohl haben das Ende der 80er Jahre gezeigt, als sie den Weg zum Ende des Kommunismus, der deutschen Einheit und der Befreiung Ostmitteleuropas von sowjetischer Hegemonie moderierten. 1989 machte Bush den Deutschen in Mainz das Angebot, „partner in leadership“ zu werden.

Heute wollen die USA Deutschland nicht mal als ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat sehen. Es wäre ein großes Missverständnis, das allein auf das kühle Verhältnis zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush zu schieben. Der Charakter der deutsch-amerikanischen Beziehungen hat sich in den letzten 15 Jahren fundamental verändert. Angela Merkel und Bush werden bei ihrem Treffen heute in Washington ein inniges Verständnis zelebrieren, aber es führt kein Weg zurück zur Harmonie von 1989. Wenn Merkel abends im Flugzeug zurück sitzt, wird die Welt die gleiche sein – auch im Bezug auf die transatlantischen Interessenunterschiede.

Erstens ist Deutschland, ist Europa unwichtiger geworden für Amerika – aus erfreulichen Gründen. Der Kitt, den die kommunistische Bedrohung bildete, ist Geschichte. Vergangenheit sind auch zehntausende US-Soldaten als alltägliche Botschafter in beide Richtungen. Parallel dazu sind, zweitens, andere Gegenden wichtiger geworden. Die Weltmacht USA und die Mittelmacht Bundesrepublik konzentrieren Aufmerksamkeit und Ressourcen auf neue Brennpunkte. Ob Afghanistan, Irak, Iran, Nahost oder eine gesicherte Energieversorgung aus Russland und Zentralasien – bei all diesen Themen gibt es zwar prinzipielle gemeinsame Interessen, aber eben auch substanzielle Differenzen. Die gern beschworene Wertegemeinschaft hilft da, drittens, nicht weiter. Die Debatte über, zum Beispiel, die konkrete Anwendung im Kampf gegen den Terror führt zu neuen Konflikten. Richtig bleibt: Deutsche und Amerikaner sind sich auch da um Dimensionen näher als Deutschland und Russland oder Amerika und China. Aber der Streit um Guantanamo schwächt das Gefühl des Zusammenhalts.

Die vielleicht größte Hypothek ist, viertens, das Auseinanderdriften der offiziellen Regierungskooperation, die eng und vertrauensvoll ist, und der öffentlichen Meinung. Für die meisten Deutschen gilt Bush als radioaktiv – und Amerika als Gefahr für den Frieden.

Bush und Merkel können vorerst nur Partner in Schadensbegrenzung sein. Eine konstruktive Partnerschaft wird erst möglich, wenn der Präsident bereit ist zu einer abgesprochenen multilateralen Weltpolitik – und die Kanzlerin zu Führung. Wer gute Gründe hat, bei der Terrorabwehr oder beim Aufbau des Iraks zu kooperieren, tut das nicht heimlich, sondern wirbt dafür bei seinen Bürgern.

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