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Meinung: Der Rat zur Tat

Auch ohne Kanzlerrede spüren die Bürger den harten Weg

Von Antje Sirleschtov

Der deutsche Patient ist krank, für dieses Wissen bedarf es keiner Erinnerung des Bundeskanzlers zum Jahresbeginn. Ein Blick auf die wirtschaftlichen Kennziffern und in die Arbeitslosenstatistik genügt, um zu erkennen, dass uns kein heilsamer Boom nach nur kurzer Rezession von den Sorgen befreit.

Auch die Aussicht, dass Bürger und Unternehmer bittere Medizin zur Genesung der Gesellschaft benötigen, muss Gerhard Schröder den Deutschen nicht erläutern. Sein „harter Weg“ wird spätestens jetzt dem Letzten klar. Statt der erhofften Reduzierung der Einkommenssteuer treibt der nächste Schritt der Ökosteuer den Benzinpreis ab Januar nach oben, die höhere Gas- und Strombesteuerung werden private Haushalte genauso belasten wie die Wirtschaft. Am Konsumverhalten der Menschen kann das nicht spurlos vorbei gehen – und Arbeitsplätze kosten. Wenn die Deutschen ihre Lohnabrechnung für den Januar in der Hand halten, werden sie mit gestiegenen Beiträgen zur Renten-, Pflege und Krankenversicherung einen weiteren Beleg für die „schmerzhaften Einschnitte“ erhalten, die der Kanzler soeben nochmals in Aussicht gestellt hat.

Den Status quo zu beschreiben, das hilft ihnen nicht weiter. Längst ist den Menschen klar, dass das Solidarprinzip der sozialen Sicherungssysteme nur erhalten werden kann, wenn es sich den demografischen Bedingungen anpasst und Strukturen erhält, die alle Beteiligten zum sorgsamen Umgang mit den Mitteln anhält. Niemand hofft auf einen Reformprozess, der alles neu und modern macht und dennoch keinem etwas wegnimmt. Was die Menschen zu Recht von ihrem Regierungschef erwarten, ist eine glaubwürdige Perspektive, für die sich ein „Mentalitätswechsel“, wie ihn der Kanzler einfordert, lohnt. Wem mehr Eigenvorsorge abverlangt wird, der ist nur bereit, sie zu leisten, wenn er gewiss sein kann, dass ihn die Gemeinschaft stützen kann und wird, wenn er Hilfe benötigt. Und wer höhere finanzielle Lasten tragen soll, der muss die Sicherheit haben, dass sein Geld nicht in trägen öffentlichen Apparaten versickert.

Mehr Eigenverantwortung setzt ein Gemeinwesen voraus, dass den Menschen auch größeren finanziellen Spielraum für eigene Verantwortung belässt.

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