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Mit der Harmonie ist es bei den Grünen schon länger dahin.

© dpa

Führungsstreit bei den Grünen: Der Widerstand gegen die Angepassten wächst

Wer wird die Partei in die Bundestagswahl führen? Diese Frage ist der Hauptstreitpunkt im Führungsstreit zwischen Linken und Realos. Letztere sind nicht schwach geworden in der Partei, wie viele meinen, sondern schlicht überflüssig.

Das treibt ja Blüten. Die Grünen haben sich in einer Weise verändert, dass man sie gar nicht mehr wiedererkennt. Vorbei die Zeiten, da mit Wasserspritzpistolen oder Farbbeuteln politischer Protest ausgedrückt wurde, als Zeichen geradezu ohnmächtiger Wut nach langer, kontroverser Debatte. Einerseits gut, weil niemand unter solchen Attacken leiden muss, andererseits schlecht, weil die Debatten schon länger so routiniert verlaufen wie bei den anderen Parteien, die Piraten ausgenommen. Das Ergebnis ist Machtbeflissenheit.

Sie lassen sich von keinem in ihrem Streben an die Regierung und in der Regierung übertreffen – so kann man meinen. Stuttgart 21 war gestern. Sogar Boris Palmer, der Rebell von Tübingen, ist leis’ geworden. Hauptsache, seine Stadt wird nicht links liegen gelassen. Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg ist darum die personifizierte Metamorphose der Grünen. Als Landeschef ein Landesbürgermeister, pragmatisch, wie es Angela Merkel nicht besser sein könnte.

Aber auch Jürgen Trittin, der früher ganz Linke, hat seinen Marsch durch die Institutionen gemacht, ist immer weiter gewandert, in die Mitte und darüber hinaus. Als Bundesratsminister unter Ministerpräsident Gerhard Schröder hatte diese Wanderung begonnen, was erstaunlich genug war, heute sieht sich Trittin selbst als den besten Realpolitiker. Den Verfassungsschutz, beispielsweise, würde er jetzt nicht mehr abschaffen. So einer kann wieder Bundesminister werden – unter Merkel. Kein Wunder, dass der eine, Kretschmann, klar für den anderen, Trittin, als alleinigen Spitzenkandidaten der Grünen eintritt.

Warum aber nicht gleich ein Kanzlerkandidat? Per Akklamation, auf einem Parteitag? Wo die Grünen schon so weit sind, gekommen sind, können sie doch jetzt auch die Doppelspitze mit Doppelquote abschaffen, das macht auch nichts mehr, also nicht mehr Frau/Mann, links/rechts. Mitgliederbefragung, gar Urabstimmung – das ist was für Anfänger. Und das sind die Grünen im Machtspiel gewiss nicht mehr. Die sind ganz und gar normal geworden, Normalität, so bunt wie, sagen wir, die Schwarzen.

Doch selbst wenn sie aus nostalgischen – beileibe nicht aus ernst genommenen politischen – Gründen noch einmal eine Doppelspitze für die kommende Bundestagswahl aufstellen: kein Problem. Claudia Roth ist schon die gesuchte Linke (und hinreichend wenig links, um kompatibel zu sein), Trittin ist der Realissimo. Was braucht es da noch eine Debatte oder eine weitere Kandidatin. Katrin Göring-Eckardt ist noch mehr Kirche als Kretschmann, aber nicht notwendig, um eine etwaige inhaltliche Unwucht auszutarieren. In die Kirche geht Roth auch.

Man muss nicht beklagen, dass die Realpolitiker der Partei so schwach geworden sind; sie sind nur überflüssig geworden. Man muss sie nicht bemitleiden, dass ihnen nichts Besseres einfällt, als für Trittin zu sein; das spiegelt nur wider, wie überholt die Kategorisierung ist. Und wie gut Trittin seine Gefolgschaft organisiert hat. Wie Joschka Fischer, Trittins alter Konkurrent, das früher konnte. Man kann aber die bemitleiden, die dabei verlieren, Renate Künast zum Beispiel. Cem Özdemir wiegt sie nicht auf. Und man kann beklagen, dass es keine Herausforderungen inhaltlicher Art mehr gibt, auch keine mehr für Trittin.

So wachsen bei denen an der grünen Spitze Blütenträume. Aber der Widerstand gegen das Angepasste und Anpassung, der wächst auch. Er war immer eine Graswurzelbewegung.

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