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Ron DeSantis.

© Foto: dpa/Rebecca Blackwell

DeSantis statt Trump bald Kandidat?: Endlich ist wieder Bewegung im Präsidentschaftsrennen

Amerika ist wieder spannend. Floridas Gouverneur Ron De Santis macht Trump mit einem triumphalen Sieg die Rolle des Favoriten unter den Konservativen streitig.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Mitunter darf man dankbar sein für die Dialektik, die demokratischen Wahlen innewohnt. In den USA haben die Bürgerinnen und Bürger weniger wechselwillig gewählt, als viele befürchtet hatten. Die Inflation und die Sorgen ums Portemonnaie waren offenbar doch nicht das alles überlagernde Motiv, das den Republikanern nützt.

Die Überraschung bringt nun Bewegung in das Präsidentschaftsrennen 2024. Die USA haben die Chance, sich aus der lähmenden Dichotomie zu befreien, die das Land zuletzt geprägt hat: Kommt es bei der Wahl 2024 zur Wiederholung des Duells Donald Trump gegen Joe Biden?

Diese Erwartung hatte einerseits Langweile ausgelöst. Haben die USA, obwohl ihre Bevölkerung jünger und ihre Politik oft dynamischer ist als die in Europa, nichts Attraktiveres im Angebot als die beiden Dinosaurier?

Ron DeSantis macht Trump die Rolle des Favoriten streitig

Andererseits führte die Aussicht auf die Neuauflage zum fragwürdigen Überhöhungen: Es gehe um einen Kampf zwischen Gut und Böse und um das Überleben der amerikanischen Demokratie. Der Streit, welche praktische Politik das Land braucht, verblasste.

Das Rematch ist durch den Ausgang der Kongresswahl etwas weniger wahrscheinlich geworden. Noch bevor Trump seine erneute Kandidatur erklärt hat, macht ihm Floridas Gouverneur Ron De Santis mit einem triumphalen Sieg die Rolle des Favoriten unter den Konservativen streitig.

Wenn Trump bei den Republikanern nicht mehr als unvermeidlich gilt, übt das auch Druck auf die Demokraten aus. Wollen sie 2024 mit dem dann 82 Jahre alten Biden ins Rennen gehen oder mit einer jüngeren Person?

Da kommt eine weitere Dialektik ins Spiel. Das Rennen 2024 ist nun offener als zuvor, doch in der Innenpolitik stehen die Zeichen auf Blockade. Biden hat die für die Gesetzgebung nötige Doppelmehrheit in beiden Parlamentskammern verloren.

Die Republikaner werden künftig das Repräsentantenhaus kontrollieren und damit den Haushalt. Der Präsident wird damit nicht gleich zu einer „Lame Duck“. Doch relativ frei agieren kann er künftig nur noch in der Außenpolitik. Auf die Entscheidung, wer den Senat beherrscht, müssen die USA wohl noch warten. Auch dort ist Dialektik am Werk. Für Bidens Demokraten wäre es einerseits ein Geschenk, wenn sie die Kontrolle behalten. Die Ernennung hoher Amtsträger, von Regierungsmitgliedern bis Richtern, ist nur mit Zustimmung des Senats möglich.

Biden hat vor dem Wahltag den Preisschub brechen können

Andererseits kämen die Republikaner unter Zugzwang, zu liefern, was sie im Wahlkampf versprochen haben, wenn sie die Mehrheit in beiden Kongresskammern hätten. Das bleibt ihnen bequemerweise erspart, wenn sie nur das Haus, nicht aber den Senat dominieren. Die Bürger verteilen die Schuld an der Blockade dann auf beide Parteien.

Was aber hat die Demokraten vor der befürchteten „roten Welle“ bewahrt? Es gibt wohl nicht den einen monokausalen Grund für das Ergebnis. Mehrere Faktoren wirkten zusammen. Biden hat den Preisschub, etwa beim Tanken, vor dem Wahltag brechen können. Demokraten hatten in entscheidenden Rennen moderate Kandidaten gegen Trump-Anhänger aufgestellt.

In der Summe heißt das: Es lohnt sich, rechte Identitätspolitik nicht mit linker Identitätspolitik zu beantworten, sondern auf die politische Mitte und praktische Lösungen für drängende Alltagssorgen zu setzen.

Das Muster hatte sich zuvor auch bei Wahlen in Europa gezeigt. In Schweden und Italien half es den Mitte-Links-Kräften wenig, vor dem Untergang von Demokratie und Rechtsstaat zu warnen, falls das rechte Lager gewinnt. In Dänemark konnte sich eine Sozialdemokratie behaupten, die im Zentrum der Gesellschaft steht, nicht links.

In ideologischen Kämpfen um Genderfragen, den Umgang mit sexuellen Minderheiten, die kritische Rassismustheorie oder ein „Defunding“ der Polizei fällt es Rechtspopulisten leichter, Zustimmung zu mobilisieren, als den Progressiven. Bidens Demokraten haben das beherzigt. Auch deshalb wird Amerika wieder spannend.

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