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Die Deutschen scheinen mit Gelassenheit und Ruhe durch die Krise gekommen zu sein.

© dapd

Deutschland im Frühling: Wo ist sie hin, die alles bedrohende Krise?

Die Schuldenkrise ist vorbei, bevor sie richtig angefangen hat. 2016 soll der Bund erstmals seit 1969 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Dass es so glimpflich gelaufen ist, liegt auch daran, dass die Deutschen Ruhe bewahrt haben.

Von Lutz Haverkamp

Hallo? War da mal was? Die Welt am Ende, Europa kollektiv in der Schuldenkrise, der Euro vor der Abschaffung, Massenarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Depression, Staatspleiten, beißende Armut überall, Börsencrashs? Na gut, die Griechen sind in der Klemme, in den USA stehen ein paar Tausend Immobilien von überschuldeten Privatleuten leer, in Spanien und Portugal wird ein bisschen bei den Staatsausgaben gespart, ab und zu demonstrieren mal ein paar Italiener.

Aber hier in Deutschland? Da sprudeln die Steuereinnahmen, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Menschen geben ihr Geld aus, die Wirtschaft brummt, alle Welt kauft Made in Germany – und der Finanzminister Wolfgang Schäuble will einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Spätestens 2016 soll der Bund erstmals seit 1969 (!!!) wieder ohne neue Schulden auskommen.

Wo ist sie hin, die alles bedrohende Krise? Ist die jetzt einfach vorbei, bevor die meisten Deutschen sie – zumindest am eigenen Leib – überhaupt mitbekommen haben? Oder haben wir nur Glück gehabt?

Das mit der schwarzen Null im Bundeshaushalt haben Schäubles sozialdemokratische Vorgänger im Amt auch schon mal verkündet. Hans Eichel scheiterte ebenso wie Peer Steinbrück. Am Ziel ist Schäuble heute aber auch noch nicht. Ob er mehr Fortune hat, ist derzeit schwer zu sagen. Immerhin bekommt er mit der Schuldenbremse eine Unterstützung mit Verfassungsrang.

Dass Schäuble das Ziel erreichen kann, zeugt aber von einem ungeheuren Potenzial des Landes und seiner Menschen. Die haben sich trotz Untergangsszenarien nicht verrückt machen lassen. Sie nutzten die Abwrackprämie und kauften neue Autos, hielten sich bei Lohnforderungen zurück, sanierten ihre Häuser und Schulen, zahlten in unverbrüchlicher Staatsbürgertreue ihre nicht gesenkten Steuern, verjubelten ihr Geld zu Weihnachten und warteten darauf, dass die Weltkrise im Privaten ankommt – in der Regel glücklicherweise vergebens.

Risiken gibt es immer noch genug in der großen, undurchsichtigen Finanz- und Bankenwelt. Der Politik ist es nicht gelungen, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um zukünftige Bedrohungen zu mildern oder besser noch ganz auszuschließen. Umso mehr muss man Schäuble die Daumen drücken. Die Belastung nachfolgender Generationen mit den Schulden von heute dauert schon viel zu lange. 40 Milliarden Euro muss allein der Bund für Zinsen ausgeben. Pro Jahr! Von Tilgungsplänen und von in der Folge sinkenden Zinsen kann noch keine Rede sein. Und auch innenpolitisch lauern zum Beispiel mit der demografischen Entwicklung noch finanzielle Risiken, die heute gerne unterschätzt und gar ausgeblendet werden.

Hallo? Ja, da war noch was. Da war eine alles bedrohende, existenzielle Krise, die Deutschland bis heute zumindest nicht viel anhaben konnte. Wenn diese Krise am Ende zu einer nachhaltigen, verantwortungsbewussten Politik führt, dann, ja dann, hatte die Krise sogar etwas Gutes.

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