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Regierungsführer und -vertreter der arabischen Staaten posieren für ein Gruppenfoto beim Gipfel der Arabischen Liga in Kuwait am 25.03.2014.

© Imago/Xinhua

Streit zwischen Saudi Arabien und Katar: Dicke Luft am Golf

Die Arabische Liga tagt in Kuwait. Ein Programmpunkt ist der Streit zwischen Saudi Arabien und Katar. Auch Deutschland sollte sehr genau hinschauen, ob dieser Zwist aus der Welt geschafft werden kann, meint Nora Müller, Programmdirektorin der Körber-Stiftung, in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.

Wenn heute in Kuwait die Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga zusammenkommen, dann herrscht einmal mehr dicke Luft. Aufsehen und Beunruhigung verursacht vor allem der Streit zwischen den Golf-Monarchien Saudi-Arabien und Katar, der jüngst an Schärfe zugenommen hat. Das kleine Emirat Katar, das dank seiner Flüssiggas-Exporte 2013 den ersten Platz auf der Liste der weltweit reichsten Länder belegte und sich gerne mit internationalen Großprojekten wie der Fußball-WM 2022 schmückt, tritt mit seiner forschen Außenpolitik der Golf-Führungsmacht Saudi-Arabien immer wieder auf die Füße. Allem Anschein nach setzt Katars neuer, erst 33-jähriger Herrscher Scheich Tamim bin Hamad al Thani den umstrittenen Kurs seines Vaters Scheich Hamad fort.

Anfang März kam es zum offenen Eklat zwischen den sonst auf brüderlich-diskrete Konfliktbewältigung bedachten Golf-Herrschern: In einer konzertierten Aktion zogen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre Botschafter aus Doha ab – mit der Begründung, Katar gehe nicht entschieden genug gegen diejenigen vor, die die Sicherheit der GCC-Staaten bedrohten (gemeint waren die Muslimbrüder) und unterstütze „feindlich gesinnte Medien“ (also den von Doha aus operierenden Nachrichtensender Al Dschasira, der als islamistenfreundlich gilt). Große Erwartungen richten sich nun auf Kuwait, das als Gastgeber des Gipfels die Wogen zwischen Riad und Doha glätten soll, bevor der saudisch-katarische Konflikt weiter eskaliert.

Fünfjährige Funkstile zwischen Saudi Arabien und Katar bereits in 2002

Zank zwischen Saudi-Arabien und dem vom Haus Al Thani regierten Emirat ist nichts Neues. Aufgrund missliebiger Al-Dschasira-Berichterstattung hatte Riad 2002 schon einmal seinen Botschafter aus Doha abberufen. Danach herrschte bis zur Versöhnung 2007 fünf Jahre lang diplomatische Funkstille zwischen den beiden Monarchien. Warum also nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn sich Riad und Doha wieder einmal in den Haaren liegen? Die Antwort ist eindeutig: Der Nahe und Mittlere Osten befindet sich derzeit in einer kritischen Phase. Aufgrund der tiefgreifenden Umbrüche der Arabischen Revolution, aber auch angesichts einer möglichen Entspannung zwischen Iran und dem Westen kristallisiert sich eine neue regionale Ordnung heraus, in der die Golf-Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Katar, eine zentrale Größe bilden. Ob und wie sie interagieren, wird die Region maßgeblich prägen.

Die Frage nach dem politischen Islam teilt die Golf-Staaten

Eine der wichtigsten Fragen für die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens – wie halten wir es mit dem „politischen Islam“? - dividiert die Golf-Staaten zunehmend auseinander: Während Katar weiterhin islamistische Bewegungen unterstützt und prominenten Mitgliedern – darunter dem muslimbrüdernahen Rechtsgelehrten und Fernsehprediger Yusuf al Qaradawi ebenso wie dem Chef des Hamas-Politbüros Khaled Meshal – Zuflucht gewährt, haben Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate die Muslimbruderschaft zur terroristischen Organisation erklärt.

Dabei stehen nicht religiöse Motive im Vordergrund, sondern machtpolitisches Kalkül. Für Doha sind seine guten Kontakte zu den Islamisten ein taktischer Trumpf, den es bei Bedarf ziehen kann. Aus Sicht der Herrscher in Riad und Abu Dhabi dagegen bilden die Muslimbrüder, die neben religiöser Erneuerung auch politische Reformen predigen, eine ernstzunehmende Bedrohung. Dass Saudi-Arabien es nicht beim Abzug seines Botschafters aus Doha belassen wird, um Katar von seinem pro-islamistischen Kurs abzubringen, ist durchaus denkbar.

In Doha bereitet man sich bereits auf mögliche Sanktionen vor. Allerdings verfügt Riad nur über ein begrenztes Arsenal von Maßnahmen. Denn Katars Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien machen nur einen Bruchteil seines Handelsvolumens aus. Die Hauptabnehmer des katarischen Flüssiggases sitzen in Japan, Südkorea und Indien. Einzig ein Sperren der Landesgrenzen für den Güterverkehr, das Katar die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus Saudi-Arabien erschweren würde, könnte das Emirat empfindlich treffen.

Für Saudi Arabien steht die Zukunft Ägyptens auf dem Spiel

Beim Streit zwischen Saudi-Arabien und Katar geht es jedoch noch um weitaus mehr als nur den Umgang mit dem „politischen Islam“. Aus saudischer Sicht steht die Zukunft Ägyptens auf dem Spiel. Für das Königreich waren der Sturz seines Verbündeten Mubarak und die Machtübernahme der Muslimbrüder im Kernland der arabischen Welt ein geopolitischer Albtraum, an dem Katar mit seiner Unterstützung für die ägyptische Muslimbruderschaft (geschätzt acht Milliarden US-Dollar) maßgeblich beteiligt war. Kaum verwunderlich, dass Saudi-Arabien nach der Entmachtung von Präsident Mursi als erstes Land seine Glückwünsche für die neue, von der Armee eingesetzte Regierung überbrachte – zusammen mit einer Zusage über Hilfsleistungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Denn Riad sieht in den derzeitigen Machthabern in Kairo nicht nur ein wirksames Antidot gegen die verhasste Weltanschauung der Muslimbrüder, sondern auch Garanten der Stabilität in Ägypten.

Die Spannungen zwischen Riad und Doha machen deutlich, wie brüchig die regionale Integration auf der arabischen Halbinsel noch immer ist. 1981 als Bollwerk gegen Ayatollah Chomeinis „Islamische Revolution“ gegründet, sollte der Golf-Kooperationsrat als (sicherheits-) politische und wirtschaftliche Klammer zwischen den Monarchien dienen und deren Ressourcen bündeln. Die bisherige Bilanz ist durchwachsen: Das Projekt einer Währungsunion ist bis auf weiteres ad acta gelegt. Auch die sicherheitspolitische Integration kommt nur in kleinen Schritten voran, denn traditionell setzen die GCC-Staaten auf bilaterale Verteidigungsabkommen mit den USA, nicht auf kollektive Sicherheitsstrukturen.

Der Vorstoß Riads, angesichts der Arabischen Revolution die regionale Integration zu forcieren und eine „Golf-Union“ anzustreben, ist nicht bei allen GCC-Staaten auf Gegenliebe gestoßen. Während Kuwait, Bahrain und Abu Dhabi der Idee offen gegenüber stehen, fürchtet man in Katar und in Oman die Dominanz des großen Nachbarn Saudi-Arabien und den Verlust eigener Souveränität. In einem viel beachteten Auftritt sprach sich der omanische Außenminister auf dem Manama Dialogue 2013 in seltener Deutlichkeit gegen eine Golf-Union aus.

Auch die sich abzeichnende Annäherung zwischen Iran und dem Westen hat bislang nicht zu einem Integrationsschub geführt. Zu unterschiedlich sind die Interessen der einzelnen Golf-Staaten: Saudi-Arabien, aber auch Bahrain und Abu Dhabi warnen vor dem negativen Einfluss Irans in der Region. Oman dagegen unterhält traditionell gute Beziehungen zu Teheran und hat erst kürzlich den Bau einer Gaspipeline vom iranischen Rudan nach Sahar auf der omanischen Seite der Straße von Hormus vereinbart. Anders als seine Kollegen in Riad, Manama und Abu Dhabi begrüßt auch der Herrscher von Dubai Scheich Mohammed bin Rashid al Maktoum eine Öffnung gegenüber Iran. Denn Dubai würde von einer Aufhebung der Sanktionen massiv profitieren.

Potenzielle Gaslieferanten für Deutschland

Und was haben die Fehden der Golf-Monarchien mit Deutschland zu tun? Viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Nicht nur, aber auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen – 2013 waren die sechs GCC-Staaten der drittwichtigste Markt für deutsche Exporte außerhalb Europas – sind Stabilität und Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten ein hohes Gut für Deutschland. Und: Sollte die Bundesrepublik angesichts zunehmender Spannungen im Verhältnis zu Russland nach alternativen Energielieferanten Ausschau halten, böten sich am Golf potenzielle Partner. Dass die Golf-Monarchien bei der Stabilisierung dieser Region eine zentrale Rolle spielen, liegt auf der Hand. Genau aus diesem Grund sollten wir auch in Deutschland sehr genau hinschauen, ob es Kuwait gelingt, bei dem bevorstehenden Golf-Gipfel den Zwist zwischen Saudi-Arabien und Katar aus der Welt zu schaffen. Denn nur wenn die Golf-Staaten an einem Strang ziehen, sind sie ein starker Partner bei der Stabilisierung einer so volatilen Weltgegend.

Nora Müller ist Programmleiterin im Bereich Internationale Politik der Körber-Stiftung.

Nora Müller

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