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Meinung: Die Allianz hat sich längst an die neue Weltlage angepasst

Die Vorschläge des Kanzlers zielen in die falsche Richtung Von Volker Rühe

In der Debatte über einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen gerät die Nato zunehmend in den Mittelpunkt – obwohl die Allianz über das letzte Jahrzehnt immer bewiesen hat, dass sie in der Lage ist, sich an die strukturellen Veränderungen in der internationalen Politik anzupassen. Allerdings gab es und wird es immer Themen geben, die nicht für die Diskussion in der Allianz geeignet sind. Für sie müssen andere Konsultations und Diskussionsforen gefunden werden.

Während des Kalten Krieges war die Allianz vor allem deswegen ein Ort strategischer Debatten der Europäer und Amerikaner, weil ihre Hauptthemen Verteidigung, Rüstungskontrolle und Entspannungspolitik die dominanten sicherheitspolitischen Themen der atlantischen Verbündeten waren. Für die Bundesrepublik zum Beispiel waren die USA und die Nato zu jener Zeit von existentieller Bedeutung und für die USA war die Nato das Instrument, um die Freiheit Westeuropas zu verteidigen. Nach dem Kalten Krieg hat sich die Nato schneller als andere Institutionen an die veränderte Weltordnung angepasst. Dies zeigen die Öffnung der Nato für neue Mitglieder und das Strategische Konzept von 1999, mit dem sie sich für die neuen Aufgaben gewappnet hat.

Mit der Öffnung hat die Allianz demonstriert, dass sie keine Militärallianz gegen einen anderen Staat ist, sondern ein Bündnis freier Staaten. Auf der Grundlage des Strategischen Konzepts operiert die Nato heute außerhalb ihres Bündnisgebietes in Afghanistan und am Horn von Afrika. Auf dem Balkan agiert sie selbstverständlich zusammen mit anderen Organisationen wie der EU, den UN und der OSZE. Gleichzeitig arbeitet die Nato weiter daran, sich den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen anzupassen. Dazu gehören die militärische Transformation der Nato und die Schaffung der Eingreiftruppe „Response Force“, mit der sich die Allianz auf die neuen Aufgaben der Friedenserzwingung und der Friedenserhaltung, aber auch auf Kampfeinsätze gegen den internationalen Terrorismus vorbereitet.

Die militärische Stärke der Nato ist aber nur ein Teil ihres Erfolges. Der Großteil beruht darauf, dass ihre Operationen von Europäern und Nordamerikanern in enger Partnerschaft durchgeführt werden. Deswegen genießt sie weltweit Ansehen und Akzeptanz, wie die Einsätze im Auftrag der Vereinten Nationen auf dem Balkan und in Afghanistan zeigen.

Dass das Potenzial der Nato heute nicht angemessen genutzt wird, liegt deswegen nicht an ihren Strukturen, sondern an den Alleingängen einzelner Staaten. Auch in Zukunft muss die Maxime für die Nato lauten, dass erstens die sicherheitspolitischen Entwicklungen gemeinsam analysiert und bewertet werden, zweitens der Nordatlantikrat über gemeinsame Einsätze entscheidet und drittens die Allianz schließlich gemeinsam handelt. Nur wenn diese Prinzipien eingehalten werden, wird die Nato im 21. Jahrhundert eine Zukunft haben. Das heißt: Nicht nur die USA sondern auch die Europäer müssen sich an diese Regeln halten und bereit sein, gemeinsame Entscheidungen in gemeinsames Handeln umzusetzen.

Trotzdem ist die Nato nicht der Ort, an dem alle Themen mit transatlantischem Bezug diskutiert werden können. Sei es, weil der militärische Bezug fehlt, sei es, weil sie eine enge operative Abstimmung benötigen, die im Kreis der 26 Staaten nicht möglich ist. So hat die Diskussion über die Aufhebung des Waffenembargo gezeigt, dass den USA und Europa ein Konsultationsmechanismus bezüglich China fehlt. Für die Verhandlungen mit Iran wäre eine Kontaktgruppe der Europäer Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit den USA und unter Einbeziehung Russlands sinnvoll.

Die USA und Europa brauchen eine starke Nato, aber sie brauchen auch weitere Formen der Zusammenarbeit.

Der Autor war von 1992 bis 1998 Bundesverteidigungsminister.

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