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Verbissen. Die Senatoren Nußbaum und Heilmann.

© dpa

Thomas Heilmann und Ulrich Nußbaum: Die Berliner Koalition ist nur noch Fassade

Keine gemeinsamen Ziele, keine Perspektiven. Der Politikbetrieb in Berlin ist wegen des Streits in der Koalition weitgehend lahmgelegt - obwohl viele wichtige Themen anstehen. Wie lange ist das noch tragbar?

Das hat es noch nicht gegeben in einer Landesregierung: dass sich zwei zentral wichtige Senatoren, die für Justiz und für Finanzen, so heillos verbissen haben, dass Persönliches und Politisches nicht mehr voneinander zu scheiden ist. Nun also wird eine Unterlassungserklärung verlangt, weil der Finanzsenator mutmaßt, sein Kollege habe Interessenskonflikte bei der Vergabe des Gasnetzes. Die Sache ist ernst; es geht nicht um den Krieg der Egos, es geht weit darüber hinaus. Natürlich ist die Entscheidung, wer in Berlin künftig das Gasnetz betreiben soll, eine strategisch wichtige Weichenstellung. Daneben aber fragt sich, welche Zeit einer Koalition, in der vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, noch bleibt.

Da zieht was auf, das kein Sommergewitter ist. Zweifelsfrei ist es die Pflicht eines Justizsenators, der für Recht und Gesetz verantwortlich ist, sich zu Wort zu melden, wenn es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens gibt. Ob es angreifbare Versäumnisse gibt oder eine juristisch problematische Auswahl, müsste eine Koalition, vor allem deren erster Mann, zwingend klären wollen. Oder er müsste die Streithähne zur Ordnung rufen, in unmissverständlicher Weise. Doch es geschieht – nichts.

Zurückhaltung der CDU

Dabei darf die CDU keiner Vergabe zustimmen, für die sie irgendwann haftbar gemacht werden kann. Wer trotz deutlich gemachter Ablehnung von zustimmender Kenntnisnahme durch die CDU spricht, wie es der Finanzsenator tut, darf sich nicht über die stille Wut des Partners wundern. Auch müsste jeder Anschein vermieden werden, hier handle es sich beim Hinweis auf Thomas Heilmanns Firmenbeteiligung um eine Replik, weil der finanziell erfolgreiche Unternehmer Ulrich Nußbaum vor fast zwei Jahren selber Ärger wegen einer genehmigungspflichtigen Leitungstätigkeit hatte.

Während der erste Mann im Senat die Dinge treiben lässt, fragt sich mancher Christdemokrat, wie weit die Zusammenarbeit noch trägt. Bisher ist die CDU bei den Wählern gut gefahren mit der selbst verordneten Zurückhaltung und einem möglichst geräuschlosen Mitregieren. Wann aber ist eine solche Strategie nicht mehr erfolgversprechend, weil sich innerkoalitionäre Fliehkräfte entwickeln, die nicht mehr kontrollierbar sind oder nur um den Preis der Selbstverleugnung?

Politische Entfremdung

Weil offenkundig wird, dass dieses Bündnis nur noch Fassade ist – ohne gemeinsame Ziele, nur mit dem einen Ziel, vorzeitige Neuwahlen zu vermeiden. Bisher hat die CDU vieles mit sich machen lassen; die mehrfach erfahrene Geringschätzung etwa, als bei wichtigen Entscheidungen – über den Wechsel im BER-Aufsichtsratvorsitz – der CDU-Chef nicht konsultiert wurde. Geärgert hat die CDU auch, dass sie beim Volksentscheid aus Koalitionsräson die Tempelhof-Planung mit der ungeliebten Landesbibliothek mittrug und dann auf der Seite der Verlierer stand. Die Psychologie der politischen Entfremdung hat viele Nuancen. Der Parteichef schweigt, aber Zufall war es sicher nicht, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende nur zum Sommerfest der Grünen ging und nicht zum gleichzeitig stattfindenden SPD-Fest. Und an diesem Freitag ist CDU-Landesparteitag.

BER-Chaos, Gasnetz-Vergabe, Olympia-Bewerbung, Charité-Sanierung oder die Lösung des Kreuzberger Flüchtlingsdramas – an großen Themen mangelt es in dieser Stadt nicht. Nur hat sich dieser Senat gleichsam eine Unterlassungserklärung für den Politikbetrieb zugestellt: Betrieb wegen Koalitionsstreit bis auf Weiteres eingestellt.

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