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Kontrapunkt: Die Berliner werden ästhetisch beleidigt

Die Hauptstadt wird an ihren markantesten Punkten mit architektonischem Sperrmüll vollgeklotzt, schreibt Gerd Nowakowski im "Kontrapunkt". Was Berlin fehlt, ist eine Bauplanung, die auch die Berliner miteinbezieht.

In Berlin haben, so heißt es in der Branche spöttisch, die besten Architekten der Welt ihr jeweils schlechtestes Werk realisiert. Wie viel schlechter dann noch die Bauten der vielen schlechten Architekten sind, kann man jeden Tag beobachten. Gerade die Wohnzimmer der Stadt, wo sich besonders viele Menschen aufhalten, werden vollgeklotzt mit architektonischem Sperrmüll - am Hauptbahnhof, am Alexanderplatz, oder am Nordbahnhof, wo die Bahn sich um einen Spitzenplatz der unansehnlichsten Lochfassaden bewirbt.

Viereckig, praktisch, gut? - Nein, gut ist das nicht, und viereckig ist erst recht zu wenig. Die Berliner Bauordnung schreibt aber bloß schwammig vor, dass ein Gebäude die Umgebung nicht "verunstalten" darf. Eine ästhetische Beleidigung der Berliner reicht dazu noch nicht. Da hört es sich mehr als hilflos an, dass Berlins Baudirektorin Regula Lüscher auf ihre Heimatstadt Zürich verweist, wo man Bauherren gesetzlich zu Entwurfswettbewerben zwingen kann. Wer sie hier hindert, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, wäre interessant zu erfahren.

In Berlin haben die Bauherren jedenfalls freie Bahn. Der eigentlich vorgeschriebene Wettbewerb für Bauten am Hauptbahnhof, wurde beim Sündenfall Meininger-Hotel einfach ausgehebelt, indem der Investor das Grundstück weiterverkaufte. Und der berüchtigte Investor Harm Müller-Spreer ließ auf den Computeranimationen das Spreedreieck verheißungsvoll leuchten, während das fertige Gebäude ein himmelschreiend dunkler Albtraum ist. Wettbewerbe mögen Investoren nicht - das kostet und dauert. Und wenn sie dazu gezwungen werden, dann werden immer die 08/15-Architekten eingeladen, die wissen, was Investoren lieben. So sieht es danach dann auch aus. Doch selbst bei öffentlichen Bauten wie dem neuen Bundesbildungsministerium wird die Gestaltung einem privaten Entwickler überlassen. Doch selbst ein offener Wettbewerb garantiert keine Qualität. Immerhin saß der damalige Baudirektor Hans Stimmann in jener Jury, die das bunkerartige und schweinchenrosa Einkaufszentrum Alexa am Alexanderplatz durchwinkte. Dabei nörgelte der ehedem mächtige Stimmann ansonsten an jedem Detail herum; hier fühlte er sich hilflos.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit machte vor zwei Jahren seinem Unmut Luft über die billigen Kisten, die auf den Alexanderplatz geklotzt wurden. Geschehen ist seitdem nichts. Hier baut der Chef? Fehlanzeige. Doch so zu tun, als ließe sich mit offenen Bauwettbewerben alles besser machen, greift zu kurz. Was Berlin fehlt, ist eine Bauplanung, die auch die Berliner miteinbezieht.

Das erfolgreiche Bürgerbegehren "Mediaspree versenken" gegen die investorenfreundliche Planung hat den Senat jedenfalls nicht veranlasst, anders zu verfahren. Dabei hat sich die Situation für Berlin verändert. Anders als vor zehn Jahren reißen sich Bauherren heute darum, in Berlin investieren zu dürfen. Es mangelt nicht an Nachfrage, es mangelt an Entschlossenheit der Behörden, ihre Interessen durchzusetzen und die Berliner einzubinden. Wenn die Stadt nicht weiß, was sie will, soll sie die Schuld nicht den Investoren geben. Mehr bürgerschaftliche Beteiligung ist angebracht für die Planung der großen Brachen an der Heidestraße, am Flughafen Tempelhof oder an der Spree zwischen Oberbaumbrücke und Ost-Bahnhof. Mehr Planungskultur ist nicht nur für einzelne Häuser, sondern für die ganze Stadtplanung nötig.

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