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Kämpfe im Irak: Die Bigotterie der reichen Golfstaaten

Das Drama im Irak zeigt: Das Doppelspiel der Ölstaaten geht nicht mehr auf. Denn am Ende könnten sich die Dschihadisten auch gegen ihre reichen Gönner vom Golf richten.

Seit Anfang der Woche dürfte klar sein: Der syrische Bürgerkrieg ist dabei, wie eine tödliche Infektion den Nahen und Mittleren Osten anzustecken. Der Zerfall des Irak wird dem Zerfall Syriens folgen. Als nächstes könnte der Libanon an seinen inneren Spannungen zerbrechen – von der apokalyptischen Katastrophe der neun Millionen syrischer Flüchtlinge ganz zu schweigen. Aus dem „Arabischen Frühling“ ist – wie es scheint – ein „Frühling der Gotteskrieger“ geworden. Was in Syrien als friedliches Aufbegehren des Volkes gegen das Assad-Regime begann, könnte als Großkatastrophe für die gesamte Region enden.

Drei Ursachen fließen in diesem politischen Tsunami zusammen. Die Defizite der orientalischen politischen Kultur – sie kann Machtgebrauch nur als Nullsummenspiel begreifen, ist unfähig zu tragenden Kompromissen und unbeirrbar in ihrem Autoritarismus. Die Bigotterie der reichen Golfstaaten – die gekrönten Emire und Monarchen brüsten sich als Bollwerk gegen islamischen Radikalismus. Gleichzeitig finanzieren ihre reichen Ölprinzen blutrünstige sunnitische Kämpfer gegen Damaskus und Bagdad, deren Regime sie als Handlanger ihres großen Widersachers Iran ansehen. Und das Erbe der amerikanischen Invasion – die USA bekommen jetzt die Schlussrechnung präsentiert für ihr wohl teuerstes Militärabenteuer aller Zeiten.

George W. Bushs Feldzug gegen Saddam Hussein im Namen der Demokratie hat mehr als 5000 GIs das Leben gekostet, die Vereinigten Staaten finanziell beinahe auf die Knie gebracht, ihr weltpolitisches Potenzial spürbar geschwächt und für die 32 Millionen Iraker vor Ort eine heillose Lage heraufbeschworen. Nichts wurde erreicht, stattdessen Schreckliches angerichtet. Kein Wunder, dass Barack Obama das nationale Interesse Amerikas in dieser turbulenten Region neu kalibriert. Am Ende wird eine Politik stehen, die sich weniger auf den Nahen Osten konzentriert. Denn im arabischen Orient gibt es für Washington nichts mehr zu gewinnen, weder bei den nervtötenden Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, noch bei einer militärischen Intervention in den völlig verfahrenen syrischen Bürgerkrieg, bei einer Rückkehr mit US-Bodentruppen in den morschen Irak oder im Streit um die skrupellose Bigotterie der ölreichen Golfstaaten.

Denn die Herrscher der Arabischen Halbinsel gerieren sich nach außen als Garanten der Mäßigung in einer immer radikaleren Umgebung. Nach innen aber drücken sie die Augen zu, wenn superreiche Privatleute und fundamentalistische Stiftungen Milliardensummen in die Finanzierung extremistischer Gotteskrieger und die Weltmission salafistischer Scharia-Moral stecken. Die Dschihadisten, die jetzt vor Bagdad stehen, sind bestens ausgerüstet und trainiert, ihre Fahrzeuge nagelneu und offenbar per Großbestellung zu ihren Aufmarschplätzen geliefert.

Spätestens seit dem Drama im Irak ist klar, dass dieses Doppelspiel nicht aufgehen wird. Denn die triumphierenden Kämpfer könnten sich beflügelt fühlen, nun auch ihre Gönner am Golf ins Visier zu nehmen. Und Europa wird die saudische, katarische und kuwaitische Bigotterie zu spüren bekommen, wenn die ersten Dschihadisten, kampferfahren und mordgewohnt, wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Allerdings wäre das regionale Terroristenmilieu niemals so ausgewuchert, gäbe es nicht so tief eingeschliffene Mängel in der politischen Kultur des Orients. Egal ob Nuri al-Maliki im Irak, Bashar al-Assad in Syrien, Abdelaziz Bouteflika in Algerien oder Abdel Fattah al-Sissi in Ägypten: Alle arabischen Potentaten eint im Kern die gleiche Mentalität. Wer am Hebel sitzt, quetscht seine Kontrahenten so unerbittlich an die Wand, bis ihnen schwarz vor Augen wird. Westliche Mahnungen zu politischer Integration werden als naive Moralpredigten belächelt. Respekt vor den legitimen Grundinteressen von Minderheiten oder Andersdenken gilt als realitätsfremder Luxus.

Isil-Kämpfer sollen auf dem Vormarsch nach Bagdad eine weitere Stadt im Irak eingenommen haben.

© dpa

Und so fühlten sich Iraks Sunniten, die unter Saddam Hussein quasi das Staatsvolk waren, seit Jahren zu Bürgern zweiter Klasse herabgewürdigt. Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki-moon musste sich von dem störrischen irakischen Regierungschef öffentlich maßregeln lassen, als er für mehr sozialen Zusammenhalt, politischen Dialog und inklusive Gespräche warb. In Falludscha brachte Anfang des Jahres eine schikanöse Hausdurchsuchung bei einem angesehenen sunnitischen Politiker das Fass zum Überlaufen. Seitdem ist die Stadt fest in der Hand von Dschihadisten, klammheimlich unterstützt von einem Teil der frustrierten Bewohner. Doch selbst dieses Menetekel hat Maliki nicht beirrt. Jetzt bekommt seine ganze Nation, die ganze Region und die ganze Welt dafür die Quittung.

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