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Meinung: „Die Botschaft meiner Bücher wird verdreht“

Gibt es das doch noch: das Universalgenie, das in Wissenschaft, Politik und Kunst glänzt? Jedenfalls bietet ein Mann mit so vielfältigen Fähigkeiten und unorthodoxen Ansichten gleichermaßen Projektionsflächen für Bewunderer wie Angriffsflächen für Kritiker.

Gibt es das doch noch: das Universalgenie, das in Wissenschaft, Politik und Kunst glänzt? Jedenfalls bietet ein Mann mit so vielfältigen Fähigkeiten und unorthodoxen Ansichten gleichermaßen Projektionsflächen für Bewunderer wie Angriffsflächen für Kritiker. Der kanadische Wahlkampf verspricht unterhaltsam zu werden. Der 58-jährige Michael Ignatieff, renommierter Harvard-Historiker, Berater höchster Politiker und Autor von Fiction- Novellen möchte 2006 als Spitzenkandidat der Liberalen Nachfolger von Premier Paul Martin werden, der nicht wieder antritt.

Ein leichter Durchmarsch wird das nicht. Auf der Website der Demokraten und in Kommentaren ihnen zugeneigter Journalisten kann man nachlesen, wie die Opposition ihn demontieren will: Er habe die letzten 30 Jahre außerhalb der Heimat zugebracht, sei ein Speichellecker der Amerikaner, unterstütze den Irakkrieg, habe sich für die „Folter light“ bei der Befragung von Terrorverdächtigen ausgesprochen und favorisiere ein gemeinsames Raketenabwehrsystem der USA und Kanadas. Für Kanadier, die stets fürchten, im Schatten des großen Bruders zu verkümmern, sind das ernste Vorwürfe.

Erst mal braucht Ignatieff einen sicheren Wahlkreis. In Thornhill, Großraum Toronto, wagte er nicht anzutreten, als die Konservativen dort ihr Schwergewicht Anthony Reale nominierten. In Mississauga-Erindale gibt es zu viele muslimische Einwanderer, schlecht für einen Advokaten des Irakkriegs. Auch die einflussreichen ukrainischen Emigranten hat der russischstämmige Ignatieff sich mit abschätzigen Bemerkungen über die Unfähigkeit der Ukraine zur Unabhängigkeit zu Feinden gemacht. Das kann seine Kandidatur in Etobicoke-Lakeshore noch gefährden.

Für die Medien ist der Mann faszinierend. Enkel der russischen Fürstin Natascha Metscherskij und des Grafen Paul Ignatieff, Bildungsminister unter Zar Nikolaus II. Der mütterliche Stammbaum ist voller Granden des kanadischen Universitätswesens. Das Magazins „MacLean’s“ wählte ihn zum „Wissenschaftler mit dem größten Sex-Appeal“. Ignatieff hat sich als Nahostexperte einen Namen gemacht und als Historiker, der vor den Bedrohungen des Nationalismus warnt – wobei er beim Zerfall Jugoslawiens vor allem den kroatischen, weniger den serbischen Nationalismus angriff, wohl ein Erbe seiner russischen Prägung. Sein bekanntestes Buch ist vermutlich seine Familiengeschichte: „Russian Album“.

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