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Meinung: Die Erwählten

Der Papst ernennt 31 neue Kardinäle – sie bestimmen seinen Nachfolger

Der Papst bestellt sein Haus – und er hat es damit offenbar eilig. Die Ernennung von 31 neuen Kardinälen, die Johannes Paul II. am Sonntag bekannt gab, passt in dieses Bild. Denn mit diesem Kardinalsschub umfasst das Kollegium wieder mehr als jene 120 wahlberechtigten Purpurträger, die gegenwärtig als eine Art Norm gelten. Und die Tatsache, dass die Bekanntmachung vorgezogen wurde und dass die förmliche Ernennung bereits am 21. Oktober, dem 25. Jahrestag der Wahl des Papstes aus Polen, vollzogen werden soll, spricht für die wahrgenommene Dringlichkeit.

Es sind aber, das bleibt hinzuzufügen, nun auch recht viele Kardinäle ernannt worden. Bevor wiederum so viele Kardinäle über 80 Jahre alt sein und ihre Wahlberechtigung verlieren werden, wird also noch eine ganze Zeit verstreichen. Was kann man außerdem aus diesem Vorgang schließen?

Kein Deutscher unter den neuen Kardinälen! – Das muss nicht allzu viel besagen, denn beim letzten Kardinalsschub sind die Deutschen gut bedacht worden, zumal der damals nachnominierte Karl Lehmann, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, ja auch noch konservativ ausbalanciert werden musste. Eines der Gegengewichte, der Paderborner Erzbischof Degenhardt, ist inzwischen allerdings verstorben.

Nur ein Amerikaner unter den neuen Kardinälen! – Das kann, wer will, als eine unauffällige Distanzierung vom US-amerikanischen Episkopat sehen. Die Skandale um vertuschten sexuellen Missbrauch hatten den Papst veranlasst, die amerikanischen Kirchenführer in den Vatikan einzubestellen und auffallend streng zu vermahnen.

Wichtiger ist aber folgende Schere, die in dem jüngsten Kardinalsschub indirekt ihren Ausdruck findet. Die deutschen und die nordamerikanischen Katholiken tragen den größten Teil zur Finanzierung des Vatikans bei. Zugleich sind die beiden Teilkirchen die für den Heiligen Stuhl problematischsten: In den USA und in Deutschland, den bedeutendsten Gebieten der gemischt-konfessionellen Christlichkeit der westlich-modernen Gesellschaften, wird die römisch-katholische Rechtsgläubigkeit hinterfragt und aus der Sicht der Hardliner „protestantisiert“; siehe den Ökumenischen Kirchentag in Berlin und den darauf folgenden gereizten Streit im deutschen Episkopat. Im konfessionell pluralen Westen sitzen das Geld und der Modernismus – in der Dritten Welt aber gewinnt, überspitzt ausgedrückt, der Katholizismus von gestern seine Mitglieder von morgen. Die Herkunft vieler der neuen Kardinäle trägt diesem Umstand Rechnung und wird bei der Wahl eines neuen Papstes gewiss den konservativen Trend stärken.

Der Papst ist hinfällig. Wie hinfällig er ist, das lässt er die Welt bewusst miterleben. Aber er bleibt seinen Hauptaufgaben treu, wenngleich in den weniger kardinalen Fragen manches schon aus dem Ruder läuft; anders ist die voreilige Veröffentlichung eines Instruktionsentwurfes zu (angeblichen) Missbräuchen in der Liturgie kaum zu erklären. Als Normalbürger wünschte man, der Papst könnte sich zur Ruhe setzen. Aber der versteht sein Amt nicht einfach triumphal als Nachfolger Petri, sondern auch demütig als Nachfolge im Leiden Christi. Irgendwie bewegend, aber in der Erhabenheit des Anspruchs auch wieder beängstigend.

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