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Meinung: Die Generäle sind los

Russlands Präsident Putin sucht pragmatische Wege in der Außenpolitik – und stößt damit auf Widerstand

Von Elke Windisch

Wenn russische Medien über die geopolitische Lage räsonieren, trennen sie fein säuberlich zwischen "fernem" und "nahem" Ausland. Mit letzterem sind die ehemaligen Sowjetrepubliken gemeint und denen gegenüber ist offenbar so manches erlaubt, was sich im Umgang mit anderen souveränen Staaten von selbst verbietet. Jüngster Beweis sind die Bombardements in der Pankisi-Schlucht, die zu Georgien gehört und unmittelbar an der Grenze zu Tschetschenien liegt. Eine Nacht- und Nebelaktion im übertragenen wie im Wortsinn, für die Moskau bereits massive Schelte kassierte. Zu Recht, denn um Ufos dürfte es sich bei den angeblich "unerkannten Fluggeräten" kaum handeln, denn den Zwischenfall – den fünften dieser Art in knapp drei Wochen – bestätigten inzwischen auch die in der Region tätigen OSZE-Beobachter.

Gut waren die Beziehungen zwischen Russland und Georgien seit dem Ende der Union nie. Georgien trat der von Moskau dominierten GUS erst 1994 bei und drohte schon mehrmals mit Austritt. Das Parlament drohte sogar mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Der letzte Schritt vor einer offiziellen Kriegserklärung. Im Wiederholungsfalle, drohte Schewardnadse schon mal, würden „unsere Streitkräfte tun, was ein unabhängiger Staat tun muss."

Angesichts der Tatsache, dass Georgien in die NATO strebt und schon jetzt Washington als seinen verlässlichsten Verbündeten betrachten, zogen hiesige Medien bereits Parallelen zur Kuba-Krise 1963. Die Karibik-Insel war damals allerdings ebenso ein Vorwand wie heute die Situation in Tschetschenien, an der sich der Zwist der einstigen Brüder in den letzten Wochen gefährlich hochschaukelte. Moskau, so der Tenor hiesiger Beobachter, gehe es um Rückeroberung verlorener Positionen in der ölreichen und strategisch wichtigen Kaukasusregion.

Dass Russland die Bombardements dementiert, macht die Sache nicht besser, sondern eher schlimmer. Welchen realen Wert, so fragen sich zwangsläufig Beobachter, haben Bemühungen Putins um globale Entspannung, wenn sie von der Falkenfraktion innerhalb der Armeeführung durch einen offenbaren Alleingang unterlaufen werden. Der Kremlchef, so dessen georgischer Amtsbruder Schewardnadse am Samstag vor laufender Kamera, habe seine Generäle" offensichtlich nicht im Griff " Das allerdings, so Schewardnadse weiter, sei nicht sein, sonder Putins Problem. Leider wahr und noch dazu eine indirekte Bestätigung für all jene, die für eine demokratische Zukunft Russlands ohnehin schwarz sehen.

Zwar schiebt Russlands Grundgesetz für den jeweiligen Präsidenten eine Macht vor sich her, von der selbst Spitzenpolitiker in anderen Präsidialrepubliken wie Frankreich oder den USA nicht einmal zu träumen wagen. Doch Staaten, wo Gewaltenteilung nur pro forma besteht, sind extrem anfällig für Kurskorrekturen mit undemokratischem Szenario. Bei Strafe des eigenen Untergangs sind deren Spitzenpolitiker daher verpflichtet, Rücksichten auf Befindlichkeiten von Interessengruppen zu nehmen, die sich in einer voll ausgebildeten Demokratie gar nicht artikulieren könnten, weil sie dort lediglich Instrument sind. Russlands Generalität aber, die für den Ernstfall einer globalen Konfrontation ausgebildet wurde, denkt mehrheitlich in alten imperialen Kategorien und tut sich extrem schwer mit der neuen pragmatischen Außenpolitik, die sich Bodenverluste in Zentralasien und dem Kaukasus durch politische und wirtschaftliche Zugeständnisse vergolden lässt: Abendländische Kritik an Russlands spezifischer Auffassung zur Terroristenbekämpfung im Kaukasus ist zum bloßen Lippenbekenntnis verkommen, Moskau wird marktwirtschaftlicher Status bescheinigt und START-3 schreibt drastische Abrüstung vor, was Moskau viel Geld spart.

Das aber bedeutet Alarmstufe eins für die Generalität. Sie versucht, ihren Besitzstand mit gelegentlichen Präventivschlägen in vermeintlich angestammten Interessengebieten wie Georgien zu wahren. Getreu dem russischen Sprichwort: Wir haben Kraft, wozu braucht es da Verstand?

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