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Die Grünen nach Göttingen: Zurück in die Zukunft

Göttingen ist eine Zäsur. Außenpolitisch sind die Grünen wieder zum Risiko geworden. Das betrifft nicht nur mögliche Jamaika-Überlegungen mit Union und FDP, sondern ebenso die traditionelle Ampel.

Sieben Jahre lang gab es in Deutschland mit Rot-Grün eine einzigartige Regierungskoalition. Man sprach von einem Projekt. Zu ihren Leistungen zählen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, das Nein zum Irakkrieg, der Atomausstieg, die Anerkennung der Homoehe und das Dosenpfand. Doch wichtiger noch sind die Agenda 2010 sowie die Militäreinsätze auf dem Balkan und in Afghanistan. Die Sozialdemokratie, so schien es, erwies sich als reformfähig, die Grünen nahmen Abschied vom Pazifismus. Das war das wahre Erbe von Rot-Grün, das freilich eng gekoppelt war an die beiden Alphatiere Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Nun ist dieses Erbe bedroht. Denn der Fortschritt hat seinen Preis, und der heißt Oskar Lafontaine. Denn aus Sicht eines Großteils der jeweiligen Basis waren die Agenda 2010 und der Afghanistankrieg Verrat. Dieser Verrat freilich kostete damals nicht mehr als etwas innere Überwindung, weil niemand da war, der von ihm profitierte. Das ist jetzt anders. Linksaußen ist neu besetzt – und damit der allumfassende Sozialstaat und die Friedensliebe. Plötzlich wird klar: Weder sind die Sozialdemokraten auf Reformkurs noch die Grünen entpazifiziert. Darum hat das, was auf dem Grünen-Sonderparteitag in Göttingen geschah, wenig mit Chaos, schlechter Regie oder Führungsschwäche zu tun. Sondern es offenbart die dramatische Doppelschwäche aus fehlender Integrationsfigur (wie Fischer es war, analog zu Schröder in der SPD) und inhaltlicher Entleerung. Um ein ökologisches Image buhlen inzwischen alle Parteien, selbst die FDP. Um den Ruf als Deutschlands bester Klimaschützer konkurrieren Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD). Und wofür stehen die Grünen? Für eine beeindruckende Vergangenheit, nicht viel mehr.

Deshalb ist Göttingen eine Zäsur. Außenpolitisch sind die Grünen wieder zum Risiko geworden. Das betrifft nicht nur mögliche Jamaika-Überlegungen mit Union und FDP, sondern ebenso die traditionelle Ampel. Wer noch Verantwortung spürt in und für dieses Land, kann davor nicht die Augen verschließen. Die große Koalition, die doch angeblich keiner der Großkoalitionäre weiterführen will, ist seitdem das wahrscheinlichste Regierungsbündnis auch über die nächste Bundestagswahl hinaus.

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