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Meinung: Die Hände in Unschuld

Von Werner van Bebber

Klaus Wowereit und sein rotroter Senat können sich auf einen ruhigen Sommer einrichten: Überstunden zur Anpassung des Landeshaushalts an die Normen der Verfassung sind nicht notwendig. Die Opposition, durchaus uneins in der Einschätzung des Etats, mag dagegen nicht vor Gericht ziehen. Nachdem sich die Grünen gegen eine neue Haushaltsklage ausgesprochen hatten, lag es an der Berliner CDU-Fraktion, Stadtpolitik mit dem Verfassungsgericht zu machen – oder sanftmütig darauf zu verzichten. Letzteres hat sie nun getan. Die FDP-Fraktion wollte klagen, ist aber allein nicht stark genug.

Auch wenn ein Sinn für öffentlichkeitswirksamen Streit die FDP zur Befürwortung einer Klage getrieben haben mag, dürfte Fraktionschef Martin Lindner richtig liegen mit der These, der Etat 2004/2005 sei „verfassungswidrig, rätselhaft und undurchschaubar“. Durchschaubar ist so ein Haushalt ohnehin nur für politische Profis. Dass er gegen die Verfassung verstößt, weil die Schulden alle Investitionen weit übersteigen, vermutet auch eine starke Minderheit in der CDU-Fraktion. Doch einen Erfolg vor Gericht will die CDU nicht riskieren.

Ein Grund dafür liegt auf der Hand: Der Senat würde die CDU in Mithaftung für alle brutalen Amputationen an Behörden und Einrichtungen nehmen, die der Finanzsenator dann vorzunehmen hätte. Ein schönes Beispiel, weil man sich die Schmerzensschreie der Betroffenen gut vorstellen kann, wäre die Schließung eines Zoos oder Tierparks. Rhetorisch pompös und gewaltig würde sich die Kulturszene empören, wäre die CDU an der Abwicklung einer Oper mitschuldig. Nein, man streitet lieber „politisch“ – in der geschützten und schallgedämpften Öffentlichkeit des Abgeordnetenhauses –, als den Leuten ehrlich zu sagen, wie schlecht es um diese Stadt steht. Große Teile der Opposition verzögern gemeinsam mit dem Senat die finanzpolitische Wahrheitsfindung. Das überlassen sie dem Bundesverfassungsgericht. Dessen haushaltspolitische Hinweise an die Berliner werden womöglich umso deutlicher ausfallen. Aber dann sind wenigstens andere schuld.

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