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Meinung: Die Idee von Europa

„Preis der Zukunft“ vom 13. Oktober Die Idee einer europäischen Union ist aus der Asche zweier Weltkriege geboren, die verheerender waren als das, was andere Kontinente sich jeweils angetan haben.

„Preis der Zukunft“ vom 13. Oktober

Die Idee einer europäischen Union ist aus der Asche zweier Weltkriege geboren, die verheerender waren als das, was andere Kontinente sich jeweils angetan haben. Der Satz „Deutsche und Franzosen sind ebenbürtig“ war keine Bittstellung des zuvor Aggressiveren und dann Unterlegenen, es war die Großzügigkeit – nicht Herablassung – eines, der schließlich auf der Siegerseite stand. Das war die Beendigung der jahrhundertealten Erbfeindschaft, des immer nur Umgedrehten, zu triumphieren und den jeweils anderen in den Staub zu zwingen, der Beginn eines anderen Einvernehmens. Statt fingerdicker Grenzen auf Landkarten, dünne und gestrichelte, nur weil ja irgendwo etwas anfangen und irgendwo etwas aufhören muss. Dies ist so noch nicht da gewesen, es ist aller Ehren wert, auch und gerade des Friedensnobelpreises.

Und kaum eine andere Jahrhundert-, mehr noch: Jahrtausendidee droht nach meiner Überzeugung so jämmerlich verkauft und buchstäblich an die Wand gefahren zu werden wie die europäische. Statt Worte des Aufbruchs und der Freude, dass der viereinhalb Jahrzehnte währende Riss durch Europa zu existieren aufgehört hat, gequält wirkende Sätze wie derjenige, „dass die Osterweiterung verdaut werden“ müsse. Anstatt der Vergegenwärtigung und Eröffnung möglicher neuer Koordinaten das Festhalten an alten: Brüssel, Luxemburg und Straßburg, so, als ginge es nur um ein größeres Westeuropa. Statt ansprechender Sätze fühlen sich Menschen nicht angesprochen in Wortungetümen der Eurokratie, die von ihrer Art her nur noch von Verlautbarungen des Politbüros und Zentralkomitees übertroffen werden. Der Witz mit der Verordnung zum Krümmungswinkel von Bananen droht von der Realität noch überholt zu werden.

Bei keiner Angelegenheit sonst liegen in mir unbändige Freude und Schrecken, fast schon Bestürzung, was daraus gemacht wurde, so eng beieinander. Brennt das Herz, fühlen wir uns auf Flügeln getragen, lassen wir uns von Flügeln tragen oder versinkt die europäische Idee im kleinmütigen Geschachere, in der Vorteilsnahme und der Nachteilsabwendung? Wie bodenlos sind Luftbuchungen, glimmt die europäische Flamme nur noch vor sich hin, wenn zwischenzeitlich hineingeworfenes Reisig die Flamme nur sehr kurzzeitig schüren kann?

Helmut Krüger, Potsdam

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