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Wie lange gehen sie noch gemeinsame Wege?

© DAPD

Kontrapunkt: Die Leere der bürgerlichen Koalition

Es ist noch nicht einmal Halbzeit für Angela Merkels schwarz-gelbe Koalition. Die Krise der FDP beschert ihrer Regierung eine kleine Ämterrotation. Was die "bürgerliche Koalition" aber ausmacht und gemeinsam will, wird immer rätselhafter.

Am Tag der Personalentscheidungen bei der FDP konnte man von Unionspolitikern vor allem erfahren, wer mit wem gut auskommt. Fraktionschef Volker Kauder, der seinen guten Draht zur liberalen Ex-Fraktionschefin Birgit Homburger schon wegen der landsmannschaftlichen Nähe nie genug herausstellen konnte, klärte das Publikum nun darüber auf, dass ihn mit ihren Nachfolger Rainer Brüderle schon lange eine Duz-Freundschaft verbinde. Merkel freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler, nicht ohne anzufügen, dass sie auch mit Guido Westerwelle gern zusammengearbeitet habe und das mit ihm als Außenminister weiter tun werde.

Westerwelle und Merkel haben sich tatsächlich einmal ganz gut verstanden. Doch das liegt lange zurück, in jenen Zeiten, als nicht nur die FPD, sondern auch Merkel eine künftige schwarz-gelbe Koalition mit einem entschiedenen Reformkurs der Deregulierung verbunden haben. Nach der Enttäuschung der Bundestagswahl 2005, als Merkel mit einem schlechten Wahlergebnis nicht Kanzlerin einer „bürgerlichen“ , sondern der großen Koalition wurde, folgte der Wahlkampf von 2009, bei dem CDU/CSU und FDP getrennt marschierten, um vereint zu schlagen – um danach in der strategischen Falle uneinlösbarer Erwartungen zu sitzen. Die Steuersenkungsversprechen des strahlenden Wahlsiegers FDP (die beide Unionsparteien auch in ihre Wahlprogramme geschrieben hatten) waren, wie Merkel und ihr Finanzminister wussten, nach der Bankenkrise uneinlösbar. Die erste Phase der bürgerlichen Koalition war von einer einzigen Gemeinsamkeit geprägt, nämlich dem Bedürfnis, diese Dilemma zu vertuschen. Produkt war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, von dem vor allem die Mehrwertsteuer-Ermäßigung für Hotels im öffentlichen Bewusstsein hängen geblieben ist, als Paradebeispiel des FDP-Klientelismus, obwohl die CSU sie mit gleicher Energie betrieben hatte.

Die zweite Phase markiert die schwarz-gelbe Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen und die Griechenlandkrise. Es war Merkel, nicht die FDP selbst, die im Mai 2010 den liberalen Steuersenkungskurs beiläufig abräumte. Der liefen die 14,6 Prozent Wähler vom Herbst 2009, auch aus Abneigung gegen die schrille politische Stilistik Westerwelles in solchen Scharen davon, dass im Umfragen die 5-Prozent-Hürde bedrohlich näher rückte.

Es folgte Phase 3, der „Herbst der Entscheidungen“ des Jahres 2010. Im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stand dabei die AKW-Laufzeitverlängerung als hoch umstrittener, aber klar erkennbarer Ausweis der Handlungsfähigkeit der bürgerlichen, schwarz-gelben Koalition.

Die vierte Phase, in der die FDP mit einer existentiellen Krise kämpft, fällt zusammen mit der entschlossenen Demontage dieser Laufzeitverlängerung durch die Bundeskanzlerin nach dem Fukushima-Schock. Sie kann sich dabei auf einen breiten Konsens in der Bevölkerung stützen – nicht aber ihren verunsicherten Koalitionspartner. Die FDP weiß nicht recht, ob sie Sprachrohr der verbleibenden Skeptiker eines schnellen Ausstiegs werden soll oder nicht.

Was die „bürgerliche Koalition“ heute eigentlich ausmacht, war von Anfang an nur ein schwacher Nachhall früherer Regierungsbündnisse von Union und FDP. Und so schnell wie diese hat überhaupt noch keine Koalition das „Ende der Gemeinsamkeiten“ erreicht. Merkels Bekenntnisse zur guten Zusammenarbeit mit diesem und jenem FDP-Politiker sind Ersatzhandlungen. Sie weiß, dass ihre Agenda von den Ereignissen getrieben ist, nach denen sie sich strecken muss. Jetzt rückt die europäischen Krise wieder in den Vordergrund.

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