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Meinung: Die letzte Hülle fällt

Chronik einer Verelendungsspirale: Warum niemand mehr für den Palast der Republik streitet

So einfach geht das: Hände hoch und durch. Der Bundestag hat ohne Zank und Streit dem abgewrackten Vergnügungsdampfer am Schlossplatz-Ufer der Spree den Todesstoß versetzt – ade, Palast der Republik, die Abrissbirne soll nun kommen, da helfen die beiden so einsamen wie schüchternen Nein-Sagerinnen der PDS auch nicht mehr. Kaum einer möchte ihre Argumente hören, und niemand hat die Absicht, den Ballast der Republik nicht abzubauen.

Ja, „Ballast“. Zunächst jedenfalls. Der Osten machte Witze über „Erichs Lampenladen“, weil Städten und Dörfern Geld und Arbeitskräfte für das Nötigste fehlten, aber die Hauptstadt unbedingt etwas Großes für Partei und Volk schaffen musste, koste es, was es wolle. In Moskau hatte einer die Losung ausgegeben, die Hauptstädte der sozialistischen Brüder sollten ihre Zentren fürs polit-kulturelle Amüsement haben, die deutschen Genossen brachten das beste und universell nutzbarste Stück zustande, aber das durfte nicht laut gesagt werden, weil doch der Kreml-Palast wie überhaupt die ganze „Große Ruhmreiche“ immer die Nummer 1 zu sein hatten.

Aber als der Republikpalast eröffnet und bestaunt wurde, da sah das Volk, dass es hinein durfte in diese Wunderkiste, in der man Loriot und Lindenberg hören, billig essen, ungezwungen kegeln und sogar vom „Öffentlichen“ nach dem Westen telefonieren konnte. Nun war das „unser Palast“, auch noch, als das Haus als Medienzentrum zur ersten freien Wahl in der DDR Kopf stand. Das war 1990. Kurz danach ließ die plötzlich aus dem Hut gezauberte Asbestierung des ganzen Hauses die Volkskammer fliehen und alles andere mit – Tassen und Teller werden seitdem auf dem Ku’damm verscherbelt, der Laden ging den Bach runter. Der Letzte machte das Licht aus.

Seither lag der Schlossplatz im Dunkeln, so dass der Pionier der Idee, das Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen, leichtes Spiel hatte, den Leuten einzureden, dass der Palast ein Schandfleck der Architektur und deshalb überflüssig sei. Es gab Wettbewerbe, Diskussionen, Initiativen pro Schloss und pro Palast, Berlin war im Diskussionsfieber – dabei ging die Aktienkurve des Palastes immer weiter in den Keller. Schließlich hörte man nichts mehr, sondern sah nur noch dieses dunkle Etwas, und da wusste jeder: Der Zahn der Zeit frisst sich dauerhaft ins ausgeschlachtete Ballhaus des Ostens. Kaum eine Ostseele mochte noch beim Kampf um die verwelkte gläserne Blume leiden.

Nun denken vielleicht manche, der Fall sei beschlossen, es geht los, die Kähne schwimmen herbei, um den Rest der DDR wegzuschaffen. Irrtum! Wir sind in Berlin! Erst passiert gar nichts, dann verrechnet sich Strieder, dann fehlen zusätzliche Millionen, dann wird vor Gericht gestritten und bestimmt noch ein Wettbewerb gemacht. Andere überlegen, die für den Abriss bestimmten (und gar nicht vorhandenen) Millionen dafür zu verwenden, den Laden für kulturelle Nutzungen auszubauen. Vielleicht kommt der Verpackungskünstler Christo mal vorbei und guckt, was sich aus dieser leeren Hülle so alles machen lässt, damit die Leute zum Schlossplatz strömen. Oder der Senat verdeckt die Breitwände des demontierten Hauses mit Werbung aller Art und lässt innen Theater spielen. Das bringt Geld, da freut sich Sarrazin.

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