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Berlin am Abend.

© dpa

Volksentscheid Energie in Berlin: Die Lichter bleiben an

Der Volksentscheid ist knapp gescheitert - zu Recht. Berlin hat trotzdem gewonnen. Und für die SPD steht jetzt ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Nein, Vattenfall wurde nicht der Stecker gezogen. Aber die hohe Beteiligung und das knappe Ergebnis zeigen, welche Bedeutung diese Frage für die Berliner hat. Das Ergebnis ist deshalb kein Sieg des Senats: Ja oder Nein, so einfach ist es nicht. Viele Berliner, die den Forderungen des Energietisches skeptisch gegenüberstanden, haderten mit ihrem Nein, weil sie dem Senat keinen Freibrief geben wollen, es mit der Rekommunalisierung nicht ernst zu meinen. Schließlich passt es nicht zum Klimaziel, bis 2050 eine klimaneutrale Stadt zu sein, dass in keinem Bundesland der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung so gering ist wie in Berlin.

Der Volksentscheid Energie ist gescheitert, weil zu viel versprochen wurde

Gescheitert ist der Volksentscheid vor allem, weil die Initiatoren mehr versprachen, als sie hätten halten können. Statt der suggerierten niedrigen Strompreise hätte es ein unkalkulierbares Risiko bedeutet, wenn das hochverschuldete Berlin ein Stromnetz gekauft und betrieben hätte, das für die Energiewende erst mit Milliarden fit gemacht werden muss. Zumal der Netzerwerb völlig unabhängig vom jetzigen Volksentscheid ist.

Das bleibt dem Wettbewerbsverfahren um die Vergabe der Netzlizenz vorbehalten, für das sich Berlin schon beworben hat. Und bösen Atom- und Kohlestrom muss auch ein Berlin-eigener Netzbetrieb durchleiten. Unbehagen bereitete offenbar auch ein verfassungsrechtlich zweifelhaftes Kontrollgremium, in dem Parlamentarier keine Mitsprache haben, der Steuerzahler aber alle Risiken übernimmt. Vor solch einem Blankoscheck schreckten viele zurück.

Rekommunalisierung für viele Berliner ein wichtiges Thema

Dennoch aber befürworten viele Wähler eine Rekommunalisierung von Strom, Wasser oder Gas. Ihre Skepsis, ob der Senat es ernst meint, ist groß. Schließlich brachte allein der 2011 erfolgreiche Volksentscheid zur Offenlegung der Wasserverträge den Senat in Bewegung. Der damals demonstrierte Bürgerwille gab den Anstoß, dass sich Berlin erfolgreich um den Rückkauf der Wasserbetriebe bemühte. Wasser ist ein unverzichtbares Gut, das nicht in die Hände von profitorientierten Unternehmen gehört. Man darf aber zweifeln, ob Energieerzeugung wirklich zur Daseinsvorsorge zählt, die ein Land übernehmen muss. Immerhin können die Berliner auch jetzt Ökostrom bei vielen Anbietern kaufen. Und nicht jedes Geschäft, mit dem Unternehmen Geld verdienen, ist Sache der öffentlichen Hand – zumal man in der Vergangenheit an der Kompetenz staatlicher Manager zweifeln konnte.

Die Diskussion um Energie bleibt ein Gewinn für Berlin

Es bleibt ein Gewinn für Berlin, dass monatelang intensiv über das Energiekonzept diskutiert wurde. Nach dem Volksentscheid ist deshalb vor dem Streit. Die CDU fühlt sich von der Niederlage des Energietisches bestätigt und hat sich auch in der Koalition mit ihrem klaren Kurs gegen Rekommunalisierung durchgesetzt – mit Unterstützung des stadtwerkskeptischen Regierenden Bürgermeisters. Der Landes-SPD ist nur gelungen, noch kurz vor dem Volksentscheid die Gründung eines mit minimalem Kapital ausgestatteten Stadtwerks durch das Parlament zu mogeln – beaufsichtigt von der Wirtschaftssenatorin, die dem Vorhaben ablehnend gegenüber steht. Der Ton könnte nun ruppiger werden in der Koalition – vor allem, wenn die SPD-Fraktion versucht, das Stadtwerk so ausreichend zu finanzieren, dass es wirklich in der Lage ist, Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Für die SPD steht ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Rekommunalisierung auf dem Spiel. Und die Verpflichtung gegenüber jenen hunderttausenden Berlinern, die gestern mit Ja stimmten.

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