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Meinung: Die liebe Not

Der Verteidigungsminister hat zu wenig Geld – ein gute Ausrede, nicht nur in Sachen Wehrpflicht

Von Robert Birnbaum

Zur Verwaltung des Mangels gezwungen zu sein, kann eine recht unangenehme Aufgabe sein. Aber der Mangel, sofern nur kreativ genutzt, bietet auch gewisse Chancen. Wer Peter Strucks Jahresplanung für die Bundeswehr betrachtet, kommt an dem Eindruck schwer vorbei, dass der Verteidigungsminister genau diesen Schluss auch schon gezogen hat. Das gilt für die materielle, deutlicher noch für Strucks politische Agenda 2005, und am klarsten wird es beim aktuellen Topthema Wehrpflicht. Wenn etwas Strucks Verteidigung des Staatsbürgers in Uniform Nachdruck verleiht, dann das Geld, das er nicht hat.

Unübersehbar versucht der Verteidigungsminister diese Debatte in der SPD durch den finanziellen Dauerengpass in seinem Sinne zu kanalisieren. Wer den Umstieg von der Wehrpflicht- zur Profiarmee wolle, müsse ihm ein paar hundert Millionen, vielleicht auch ein paar Milliarden verschaffen, hat der Minister gerade erst wieder gesagt. Dahinter steht stillschweigend der Nachsatz: Wer sich das nicht leisten kann, kann sich Debatten ums Prinzip sparen.

Das ist ein Trost für die Wehrpflichtfreunde, weil sie in der Debatte ums Prinzip zusehends ins Hintertreffen geraten. Dass der Zwangsdienst zwingend nötig sei, trauen sich nicht einmal mehr Militärs zu behaupten. Dass er aus mancherlei Gründen weiter wünschenswert wäre, ist aber auch nach dem Gefühl vieler Wehrpflicht-Befürworter ein allzu leichtgewichtiges Argument. Und das Bundesverwaltungsgericht hat zwar gerade erst bestätigt, dass die Wehrgerechtigkeit derzeit nicht verletzt sei. Ja, es hat Wehrgerechtigkeit sogar derart formal definiert, dass es kaum mehr vorstellbar erscheint, dass sie überhaupt je verletzt werden könnte.

Aber dieser juristische Sieg hilft Struck politisch nur bedingt. Das Urteil hat bisher jedenfalls eher als Signal an die Wehrpflichtgegner gewirkt, dass sie auf die Justiz nicht hoffen können und also umso mehr politisch Druck machen müssen bis zum SPD-Parteitagsbeschluss im Herbst.

Strucks Gegendruck besteht einmal darin, dass er die Entscheidung auf zwei Alternativen zuspitzt, Wehrpflicht oder Profiarmee – den Weg des Kompromissmodells etwa nach dänischem Vorbild hat er mit der Drohung verlegt, dafür stehe er nicht zur Verfügung. Dies Manöver erlaubt ihm umso wirkungsvoller den Einsatz seiner schwersten Waffe, der leeren Kasse.

Aber nicht nur im Wehrpflichtstreit, auch ansonsten zeigt sich in Strucks Jahresplan der Nutzwert der erzwungenen Bescheidenheit. Wer sich die tatsächlichen und die potenziellen Einsätze der Bundeswehr anschaut, kann durchaus zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Bundesregierung mit dieser Armee alles tun kann, was ihr politisch geboten erscheint – aber angesichts des ständigen Mangels auch nie mehr tun muss als sie will. Das relativ zu anderen Nationen sehr erhebliche Afghanistanengagement belegt den Willen zur internationalen Friedenssicherung, der Balkaneinsatz den zum Engagement im unmittelbaren Interessenraum Europas. Und für einen mehr als nur symbolischen Beitrag zur Flutaufbauhilfe in Südasien sind auch noch Schiffe, Flugzeuge, Soldaten da. An den Eingreiftruppen der Nato und der EU können sich die Deutschen ebenso beteiligen. Ja selbst für ein viel eher bündnis- und technologiepolitisch wichtiges denn militärisch unverzichtbares Waffensystem wie die Raketenabwehr Meads ist Geld da.

Kurz und gut: Gewiss wünscht sich jeder Verteidigungsminister mehr Geld, modernere Ausrüstung, mehr finanziellen Spielraum zur Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs. Aber politisch betrachtet macht in einigen Fällen auch die Not manches einfacher.

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