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Meinung: Die Schuld des Fahrers

Das Urteil gegen bin Ladens Chauffeur ist eine Schlappe für Präsident Bush

In den USA ist es ein Anlass für historische Superlative. Viele Medien vergleichen das erste Urteil gegen einen Terrorangeklagten aus Osama bin Ladens Umfeld vor einem der umstrittenen Militärtribunale mit der Dimension der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen die politische und militärische Führung Nazideutschlands.

Da fiel das Strafmaß für Salim Hamdan, den Fahrer bin Ladens, überraschend milde aus: fünfeinhalb Jahre, weil er den Terrorchef und Waffen für Al Qaida transportiert hatte; als er 2001 in Afghanistan aufgegriffen wurde, fand man Boden-Luft-Raketen in seinem Kofferraum. Die weit schwerere Anklage der Verschwörung zum Terrorangriff wurde fallen gelassen, ein Erfolg der Verteidiger. In wenigen Monaten könnte er frei sein, das Gericht rechnet seine Haft in Guantanamo an. Sicher ist das nicht, denn er gilt weiter als Kombattant – und Kriegsgefangene, ob reguläre oder irreguläre, dürfen bis zum offiziellen Ende der Feindseligkeiten festgehalten werden. Gut möglich, dass Hamdan nach Ablauf seiner Strafe weiter sitzt.

In Deutschland hat kaum jemand Verständnis für diese parallele Behandlung Terrorgefangener als irreguläre Kriegsgefangene und zugleich als mögliche Kriegsverbrecher, die einem Strafverfahren unterliegen. Erstens haben die Deutschen das Glück, dass sie seit 60 Jahren in keinen Krieg verwickelt waren. Nur sehr alte Bürger sind mit dem Kriegsvölkerrecht vertraut. Zweitens hat Präsident Bush die Verwirrung sträflich gefördert und die halbe Welt gegen die USA aufgebracht, indem er Sonderverfahren dekretierte. Im Lager Guantanamo auf Kuba sollte angeblich das US-Recht nicht gelten. Zeitweise behauptete seine Regierung auch, die Genfer Konventionen zählten hier nicht.

US-Gerichte haben viele der miesen Tricks korrigiert. Das hat Jahre gedauert und die Leidenszeit einiger Unschuldiger und kleiner Mitläufer verlängert. Aber die Korrektur hat eine neue Balance hergestellt, die den Angeklagten am Ende nützt – siehe die Milde gegen Hamdan. Bush hatte harte Urteile möglichst rasch nach den Anschlägen von 9/11 erreichen wollen. Nun wurde sieben Jahre nach der Zerstörung der beiden Türme in New York ein kleiner Mitläufer verurteilt. Nach all den gerichtlich erzwungenen Verfahrenskorrekturen darf Bush froh sein, dass überhaupt noch ein Schuldspruch während seiner Amtszeit fiel. Eigentlich ist der Ausgang eine Schlappe.

Es ist vor allem eine moralische Niederlage für Amerika. Hätte Bush 2001, als fast die ganze Welt hinter den USA stand, faire Verfahren gewählt, wären wohl selbst Leute wie Hamdan bereits 2003 unbeanstandet zu höheren Strafen verurteilt worden. Das Rechtssystem der USA ist, wie es scheint, zu Selbstkorrekturen fähig. Das ist auch nötig, denn für den Umgang mit Beweismitteln in den Militärtribunalen gelten immer noch einige höchst fragwürdige Regeln. Den Imageschaden werden die USA nicht so rasch überwinden. Wer möchte überhaupt noch verstehen, warum Hamdan nach Ende seiner Strafe womöglich weiter sitzt – und vielleicht sogar zu Recht?

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