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Meinung: Die Schule ist so gut wie ihre Lehrer

„Kinder brauchen keinen Druck“ vom 3. März Die Schule ist so gut wie ihre Lehrer, allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen.

„Kinder brauchen keinen Druck“

vom 3. März

Die Schule ist so gut wie ihre Lehrer, allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Entdeckendes Lernen findet heute schon, besonders in naturwissenschaftlichen Fächern, statt. Trotzdem ist es richtig, mehr Raum zu schaffen für das Gespräch zwischen Lehrer und Schüler und für individuelle Förderung. Darauf müssen Lehrer allerdings vorbereitet sein, insofern ist die Kritik an der Lehrerausbildung berechtigt.

Gute Lehrer haben schon immer ihre Schüler ermutigt, statt sie kommentarlos oder verächtlich mit schlechten Noten zu bestrafen und damit zu demotivieren. Die Notwendigkeit der Notengebung erschwert allerdings angstfreies Lernen, nicht jedoch, wenn der Lehrer die Zeit findet, diese sachlich zu begründen. Schüler müssen ernst genommen werden. Sie müssen wissen, dass sie trotz gelegentlicher Negativbeurteilung nicht die Wertschätzung des Lehrers verlieren. Lehrer-Schüler-Gespräche brauchen Zeit, und damit im Zusammenhang steht die Größe der Lerngruppe. Bei einer Klassenfrequenz von 25-30 Schüler kann der Lehrer kaum Einzelgespräche führen oder individuell fördern. Meine Erfahrungen als Gymnasiallehrer und Lernpate an einer Grundschule zeigen, dass man in einer kleinen Gruppe auch sehr stille und sogenannte schwierige Kinder erreichen kann. Kleinere Gruppen erfordern mehr Lehrkräfte, und das kostet Geld. Solange aber Bildung in unserer Gesellschaft einen relativ geringen Stellenwert hat, werden die dringend notwendigen Veränderungen wohl nicht stattfinden.

Dr. Uwe Consentius,

Berlin-Wilmersdorf

Dem letzten Satz der Ausführungen der Frau Saalfrank werden gewiss alle Leser zustimmen, nämlich „dass Kinder … Hinwendung und eine stabile Beziehung brauchen.“ Sind aber dafür nicht in erster Linie nicht die Erziehungsberechtigten verantwortlich? Den Druck auf die Kinder, dass sie gute Schulleistungen erbringen sollen, üben doch wohl vorrangig Eltern aus; und auf Grund deren Ehrgeiz sind nicht wenige Schüler in einer Schulform, die nicht ihrem Leistungsvermögen entspricht. In Berlin kommt erschwerend die „Zwangseinschulung“ der Fünfjährigen hinzu, von denen viele dem Schulalltag nicht gewachsen sind.

Alle Kinder gemeinsam zu unterrichten mag erstrebenswert sein, dafür bräuchte es mehr Mittel für Personal und Ausstattung! Frau Saalfrank sagt, „dass es im Unterricht kaum Spielraum für ergebnisoffenes Arbeiten gibt“. Vielleicht kann sie sich mal dazu äußern, wie sich „ergebnisoffen“ Mathematik, Rechtschreibung und Grammatik unterrichten lassen. Sie schreibt weiterhin: „Manche (Kinder) werden zur Belastung für das System, wandeln ihre Frustrationen … in Aggression nach außen um“. Die Autorin sucht die Ursache dafür im Schulsystem. Relevant für auffälliges Verhalten von Schulkindern dürfte wohl Mangel an Bewegung und übermäßiger Medienkonsum in der Freizeit sein.

Helga Wille, Berlin-Charlottenburg

Ich meine: Kinder brauchen Liebe, Hin- und Zuwendung, einen optimistischen, in sich gefestigten Lehrer und so wenig Druck und Disziplinierung wie möglich.

Den Unterricht in einer öffentlichen Schule zu realisieren, ist schwierig und zahlreichen Beschränkungen unterworfen. Und es gibt Lernumstände, welche aufgrund der besonderen Bevölkerungsstruktur nicht zu verallgemeinern sind. Grundsätzlich ist jedoch im Lehr- und Lernbetrieb ein positiver Wandel vollzogen worden, der dem skandinavischen Modell nachempfunden scheint und gute Möglichkeiten bereithält, unsere Bildungsdefizite im Primärbereich zu überwinden. So scheint mir, sind wir auf dem Weg, nicht nur eine angemessene Klassengröße als Standard zu etablieren (zu meiner Ausbildungszeit war sie wesentlich größer), sondern den Unterricht tendenziell auch von zwei Pädagogen gleichzeitig begleiten zu lassen. Das Schwierigste scheint mir zu sein, alle Beteiligten bei ihrem jeweiligen Problembewusstseinsstand mitzunehmen und gemeinsam die realen Lernschwierigkeiten zu kommunizieren und ein allseitiges Mittun einzufordern.

Wenn ich eine Eingangsklasse mit großen, fast bei allen Schülern ähnlich ausgeprägten Anpassungs- und Lernschwierigkeiten anleite, ist naturgemäß der Gruppen- und Sozialisationsprozess immens wichtig zu steuern und fast nur nebenbei möglich, dem Lehrplan Genüge zu tun. Nun kommt es auf die Lehrerpersönlichkeit an, sich mit dem Lernvermögen und -potenzial seiner SchülerInnen zu identifizieren und sich selbst einzugeben in den Prozess, d.h. den Kindern das Gefühl zu vermitteln, die gemeinsame Arbeit sei für alle gleichermaßen anstrengend, notwendig und auch erbaulich und befriedigend. Dies wird naturgemäß dadurch begünstigt, dass ein Kind gern für seinen Lehrer statt für sich selber lernt.

Gerade an der Grundschule vermögen es die Kolleginnen zumeist hervorragend, die Kinder bei ihren essentiellen Bedürfnissen durch Spiel und Gesang zu erreichen und dann zum Lernen überzuleiten. Dabei ist es m.E. gegenwärtig noch unmöglich, auf Disziplinierung und Druck vollends zu verzichten. Entscheidend ist, dass der Schüler die liebevolle Hingabe seines Lehrers an sein Lernschicksal spürt. Dann wird der auszuübende Druck keine angsteinflößende Dimension entfalten und eben auch die beabsichtigte Förderung nicht behindern oder gar konterkarieren. Immer ist darauf zu achten, Kinder mit Außenseiterpotenzial möglichst nicht zu disqualifizieren noch zu strafen, sondern sie in Kleingruppen zu integrieren und so unter Anleitung Gleichaltriger zum Lernen-Wollen zu motivieren.

Auf dem Weg zur Inklusion ohne Förderschulen ist zu wünschen, dass schon jetzt jedem Lehrer entweder ein zweiter oder ein Erzieher, Förderlehrer oder Schulhelfer fest zugeordnet wird. Erfahrungsgemäß ist die Installierung zweier fester Bezugspersonen (wenn möglich, sogar männlich und weiblich) besonders für die Schaffung einer emotional bejahenden Lernatmosphäre die beste Voraussetzung dafür, die SchülerInnen zum Lernen-Wollen zu stimulieren und das Kind sein Interesse am Unterrichtsstoff als natürliche, ihm innewohnende Neugier erleben zu lassen.

Die geplante freie Verfügbarkeit jeder Schule über einen kleinen Extra-Etat zur Einstellung geschulten Zusatzpersonals ist ein guter Anfang.

Rainer Steffen, Berlin-Wedding

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